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Aus: Ausgabe vom 23.08.2024, Seite 5 / Inland
DGB-Ausbildungsreport 2024

Knapp ein Drittel bricht ab

DGB-Ausbildungsreport 2024: Azubis fehlen Perspektiven und Anleitung
Von David Maiwald
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Unangemessen: Viele Azubis leisten fachfremde Arbeiten und Überstunden. In manchen Betrieben gibt es dafür nicht mal Vergütung oder Freizeitausgleich

Noch nie »so viele junge Menschen ohne Berufsabschluss wie heute«. Der Ausbildungsreport der Jugendabteilung des DGB stellt Ausbildungsbedingungen in der BRD erneut kein gutes Zeugnis aus. So hätten zuletzt beinahe ein Drittel aller Azubis die begonnene Ausbildung vorzeitig abgebrochen, heißt es darin. Auch wenn die Mehrheit der mehr als 10.200 für den Bericht befragten Azubis mit der Ausbildung grundsätzlich zufrieden ist, würden knapp die Hälfte ihre Ausbildung im letzten Lehrjahr nicht weiterempfehlen. Die nachweisbaren Gründe: fehlende Perspektiven, zu wenig Anleitung, fachfremde Beschäftigung, Überstunden.

Jeder und jede Fünfte – knapp 2,9 Millionen Menschen – in der Altersgruppe zwischen 20 und 34 Jahren hat hierzulande dem Bericht zufolge keinen Berufsabschluss. Viele, die einen Ausbildungsvertrag abschließen, müssen im Betrieb dann Tätigkeiten ausführen, die mit dem gewählten Berufsbild nichts zu tun haben. Mehr als 15 Prozent der vom DGB befragten Azubis geben an, »immer« oder »häufig« fachfremde Arbeiten erledigen zu müssen. Der Anteil sei auf einem neuen »Höchststand« und gegenüber dem Wert aus dem Jahr 2022 um 4,3 Prozentpunkte gestiegen. Was fachfremd ist, kann ein Großteil der jungen Berufstätigen zudem offenbar gar nicht nachvollziehen: Mehr als ein Drittel der Auszubildenden hat dem Report zufolge keinen Ausbildungsplan. Wie die Ausbildung ablaufen soll, was gelernt werden muss: unklar.

Beinahe genau so viele wissen bis zum letzten Jahr außerdem nicht, ob der Betrieb sie übernehmen wird. Von Perspektive keine Spur, auch wenn die DGB-Jugend hier eine »deutliche Verbesserung« zum bisherigen Negativrekord von 43,5 Prozent im Coronajahr 2022 dokumentiert. Auch über den eigenen Lernfortschritt werden die Azubis überwiegend im unklaren gelassen, mit gut 45 Prozent gab weniger als die Hälfte an, »mindestens wöchentlich oder monatlich« eine Rückmeldung durch Ausbilder zu erhalten. Bei fast 44 Prozent trifft das insgesamt sogar »seltener« oder »nie« zu. Hier liege ein Hinweis auf die Zufriedenheit der Auszubildenden vor, teilt der DGB mit: Wer mindestens einmal im Monat Rückmeldung bekomme, bewerte seine Ausbildung deutlich häufiger als »gut« oder »sehr gut«.

Diese Angabe machten dem DGB gegenüber vor allem Industriemechaniker und Mechatroniker. Erneut: Die Verteilung der Berufe sei in der Gesamtbewertung »über die Jahre hinweg weiterhin sehr konstant«, hieß es. Auf den letzten Rängen der Zufriedenheitsskala stehen daher auch diesmal neben angehenden Fachkräften im Maler- und Lackiererhandwerk, Azubis aus Friseurbetrieben, dem Hotel- und Gaststättengewerbe sowie dem Einzelhandel. Die Ergebnisse der Befragung zeigten, dass die strukturellen Schwächen und ungünstigen Rahmenbedingungen bei der Ausbildung für diese Berufe weiterhin bestehen, heißt es im Report.

Ähnlich wie auch die zum zweiten Jahr in Folge gestiegene Zahl von Azubis, denen Betriebe Überstunden aufnötigen. Mehr als ein Drittel (34,5 Prozent) gab der Erhebung zufolge an, regelmäßig über den regulären Werktag hinaus arbeiten zu müssen. Beinahe jeder und jede zehnte Azubi (9,8 Prozent) erhält dafür nicht einmal eine Vergütung oder einen Freizeitausgleich. »Ein klarer Verstoß gegen das Berufsbildungsgesetz!« empört sich der DGB.

Im Jahr 2023 wurden dem Bericht nach bundesweit insgesamt 489.000 Ausbildungsverträge abgeschlossen. Wer keine Ausbildung finden konnte, für den greife die »von uns erkämpfte Ausbildungsgarantie«, die außerbetriebliche Ausbildung durch die Bundesagentur für Arbeit ermögliche, merken Gewerkschaftsbund und Gewerkschaftsjugend an. Um die »genannten Probleme auf dem Ausbildungsmarkt zu lösen«, würde diese aber »nicht ausreichen«.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (22. August 2024 um 22:12 Uhr)
    »Zu meiner Zeit«, als ich Mechatroniker wurde, damals hieß das Elektromechaniker, mein Facharbeiterbrief ist von 1969, wurden die ersten Lehrlinge durch die Facharbeiter- bzw. Gesellenprüfung geworfen. Das war ein Skandal und es gab heftige Proteste aus der »Lehrlingsbewegung«. Die Abbrecherquote war sehr gering und weder der Lehrling noch der Lehrbetrieb/Meister wurden dafür gelobt. Von ausbildungsfremden Tätigkeiten war allerdings schon damals zu hören, hauptsächlich aus Handwerksbetrieben. Kurze Zeit später begann das Gemeckere der Betriebe über Fachkräftemangel, denn ihre Ausbildungsquote sank. Die Übernahme nach dem Ende der Lehrzeit war abgemacht Sache. Ein arbeitslebenslanger Verbleib im Ausbildungsbetrieb oder nach zwei, drei Jahren in einem anderen Betrieb war durchaus eine realistische Aussicht. Das Thema »Rückmeldung« wurde strikt gehandhabt: Wöchentlich musste das Berichtsheft vorgelegt werden und wehe. wenn was faul war! In der Lehrwerkstattzeit wurden die Übungsstücke begutachtet, Rückmeldung garantiert! Dann kam der Neoliberalismus … Wenn AzubInen kein (gedrucktes) Berufsbild zusammen mit dem Lehrvertrag bekommen und es nicht verlangen, spricht das nicht gerade für die Qualität der Schulausbildung. War da nicht die Rede »für das Leben, nicht für die Schule lernen wir«? Lernen die heute nicht mehr, was alles zu einem Lehrvertrag gehört? Wer berät die jungen Leute im Zuge ihres Einstiegs in das Berufsleben?

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