Ukraine am Pranger
Von Jörg TiedjenDiesen Freitag jährt sich der Tod Jewgeni Prigoschins zum ersten Mal. Doch trotz des vorzeitigen Endes des russischen Söldnerführers werde der »Fußabdruck« seiner unterdessen in »Afrikakorps« umbenannten »Wagner-Truppen« weiter zunehmen. Das vermuten laut dpa die Teilnehmer einer Onlinekonferenz des US-Thinktanks Brookings Institution, die am Dienstag stattfand. Schließlich wolle Moskau »Wagner immer noch als geopolitisches und wirtschaftliches Werkzeug benutzen«, wie bei dieser Gelegenheit der Forscher Marc Galeotti resümierte.
Der wachsende Einfluss Russlands in Afrika ist auch der Ukraine ein Dorn im Auge. Doch ein jüngster Versuch, selbst auf dem Kontinent aktiv zu werden, um Moskau Einhalt zu gebieten, wird dort mit Empörung wahrgenommen. So reichte die neugegründete »Allianz der Staaten des Sahel« (AES) am Montag beim Weltsicherheitsrat eine Beschwerde ein, in der sie die von Kiew behauptete Unterstützung für Aufständische in ihrem Mitgliedstaat Mali anprangert.
Es geht dabei um die »subversiven Äußerungen von Herrn Andrij Jusow, dem Sprecher der ukrainischen Agentur für militärische Aufklärung«, in denen er die »Beteiligung der Ukraine an dem feigen und barbarischen Angriff bewaffneter terroristischer Gruppen am 24., 25. und 26. Juli 2024 zugab, der den Tod von Mitgliedern der malischen Verteidigungskräfte in Tinzawatène zur Folge hatte«, heißt es in dem gemeinsamen Schreiben der AES-Länder Mali, Niger und Burkina Faso, aus dem am Donnerstag die Infoseite Malijet zitierte.
»Schlimmer noch« hätten Vertreter der Ukraine »öffentlich weitere Ergebnisse« der Zusammenarbeit mit malischen Aufständischen angekündigt, »die noch kommen würden«. Folglich wird das höchste UN-Gremium aufgefordert, angesichts der »direkten Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit« seiner Verantwortung angesichts der »bewussten Entscheidung der Ukraine, den Terrorismus zu unterstützen, gerecht zu werden, einer Geißel, die international einhellig in all ihren Formen abgelehnt wird«, so die Außenamtschefs der drei AES-Staaten, die den Brief unterzeichnet haben.
Ende Juli war ein Verband der malischen Streitkräfte und mit ihnen verbündeter russischer Truppen bei der Ortschaft Tinzawatène im Norden Malis in einen Hinterhalt von Kämpfern des von Tuareg dominierten »Ständigen Strategischen Rahmens« (CSP) geraten. Dabei sollen ungefähr 80 »Wagner«-Söldner getötet worden sein – die bisher größte Niederlage Russlands in Afrika. Wenig später gab der ukrainische Geheimdienst GUR an, dem CSP geholfen zu haben. Die Unterstützung soll sich nicht allein auf Weitergabe militärisch relevanter Informationen beschränkt haben. Auch würden Tuareg-Kämpfer im benachbarten Ausland, ja sogar in der Ukraine selbst zum Beispiel im Einsatz von Kamikazedrohnen geschult.
Im Anschluss brachen Mali und Niger ihre Beziehungen zu Kiew ab. Auch im benachbarten Senegal wurde der ukrainische Botschafter vorgeladen, nachdem die dortige Auslandsvertretung Kiews im Internet entsprechende Mitteilungen verbreitet hatte. Sogar die regionale Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS wandte sich mit einer Protestnote an Kiew. Das Public-Relations-Desaster für die Ukraine könnte größer kaum sein.
Anfang des Monats ging der Kurznachrichtendienst AES Info der Frage nach, wie genau der CSP mit der Ukraine verbunden ist. Mittelsmann sei demnach ein Libyer namens Akkli Shkaa, der bereits 2012 in den Sezessionskrieg des CSP-Vorläufers »Nationalbewegung zur Befreiung von Azawad« (MNLA) gegen Bamako involviert gewesen sei. Shkaa soll auch Mitarbeiter des französisch-israelischen Fernsehsenders I-24 News gewesen sein, der regelmäßig durch Verbreitung von Falschnachrichten etwa zum Nahost-, aber auch im Westsahara-Konflikt zwischen Marokko und der Befreiungsfront Polisario auffällt. Beispiele sind »Enthüllungen«, die Polisario sei mit der libanesischen Hisbollah verbündet, oder die im Oktober 2023 verbreitete Lüge über von der Hamas massakrierte Babys. Die Grenzen zwischen angeblichem Journalismus, politischem Aktivismus und Geheimdienstarbeit sind in diesem Fall fließend.
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