Punkte für Mietobergrenze
Von Gerrit HoekmanDas börsennotierte, niederländische Versicherungsunternehmen ASR kündigte am Mittwoch an, keine neuen Mietwohnungen mehr zu bauen. Schuld sei das seit dem 1. Juli in den Niederlanden geltende neue Mietrecht, das noch die alte Regierung von Mark Rutte auf den Weg gebracht hatte. Es gestattet dem Vermieter nicht mehr, die Miete nach Gutsherrenart frei festzulegen. Er muss sich jetzt an ein Punktesystem halten, das eine Mietobergrenze vorsieht. Außerdem sind befristete Mietverträge verboten. Die »Huisjesmelkers«, wie Miethaie auf Niederländisch heißen, sind eingeschnappt.
Seit Anfang Juli werden je nach Größe der Wohnung, der Qualität und der Nachhaltigkeit Punkte verteilt, aus denen sich am Ende eine Mietobergrenze ergibt. Das System findet bei Sozialwohnungen und im mittleren Preissegment Anwendung. Es betrifft vor allem die Großstädte, wo die Mieten im Moment noch weit über denen liegen, die das Punktesystem vorsieht. Aber es zeigt sich einmal mehr, dass es äußerst schwierig ist, dem privaten Wohnungsmarkt Zügel anzulegen. Laut dem niederländischen Grundbuchamt haben im vorigen Quartal wegen des neuen Mietgesetzes bereits mehr private Vermieter als normalerweise ihre Objekte verkauft. Der Erlös scheint ihnen jetzt lukrativer als eine moderate Rendite durch Vermietung.
Der Versicherer ASR will seine rund 26.000 Mietobjekte in den Niederlanden aber vorerst nicht verkaufen, berichtete die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt NOS am Mittwoch. »Aufgrund des neuen Mietzinsgesetzes legen wir derzeit eine Pause ein«, zitierte NOS einen Firmensprecher. »Wir merken, dass die Gewinnung von neuem Kapital mehr Aufwand erfordert.« Wie lange der Baustopp bei Mietwohnungen dauern soll, will das Unternehmen nicht sagen. »Wir haben immer betont, institutionelle Anleger müssen auf ein verlässliches und attraktives Investitionsklima vertrauen können, um weiterhin in Mietobjekte der mittleren Preisklasse investieren zu können.« Mit anderen Worten: Sie erwarten eine Renditegarantie für ihre Häuser. Es ist davon auszugehen, dass ASR über kurz oder lang doch Mietwohnungen in Eigentum umwandelt.
»Das ist nicht gut für den gesamten Wohnungsmarkt«, sagte Peter Boelhouwer, Professor für Wohnungsmarkt an der Technischen Universität in Delft vor vierzehn Tagen im Eindhovens Dagblad. »Der Vermietungssektor ist bereits viel zu klein.« Die Wohnungsnot ist eine gesellschaftliche Katastrophe. Junge Leute wohnen heutzutage viel länger bei ihren Eltern, weil sie keine eigene Bude finden, die sie sich leisten könnten. Geschiedene Ehepaare hocken weiter aufeinander. Junge Familien mit Kind leben beengt in zwei Räumen und suchen manchmal jahrelang vergeblich nach einer größeren Bleibe. Gleichzeitig zieht niemand mehr aus seiner Wohnung aus, weil die nächste garantiert um einiges teurer ist als die alte.
Immerhin ist die Anzahl der Baugenehmigungen im vergangenen Quartal leicht gestiegen, aber sie reichen bei weitem nicht aus, um die Nachfrage nach Mietwohnungen zu decken. Es sähe noch finsterer aus, wenn nicht wenigstens die Wohnungsbaugesellschaften in Neubauten investieren würden. Als Folge der Wohnungsknappheit ziehen die Preise für Immobilien wieder stark an. »Im zweiten Quartal 2024 stieg der mittlere Verkaufspreis um sage und schreibe 7,2 Prozent«, hieß es am 8. August in einer Pressemitteilung zum aktuellen »Monitor Eigentumswohnungen« der TU Delft. Im Vergleich zum zweiten Quartal 2023 sogar um 13,6 Prozent.
Eigentumswohnungen gehen aktuell weg wie warme Semmeln. Obwohl der Preis im Landesdurchschnitt bei 468.000 Euro liegt. Zwei Drittel der Objekte werden über Marktpreis verkauft. Der Verband der niederländischen Makler NVM spricht sogar von einer wahren Hitzewelle auf dem Häusermarkt. Es will schon etwas heißen, wenn sich Immobilienhaie Sorgen machen, ob Wohneigentum in den Niederlanden auf lange Sicht überhaupt noch erschwinglich ist. Inzwischen würden sich die Kaufinteressenten manchmal gegenseitig um mehr als hunderttausend Euro überbieten, so Boelhouwer. Oder: »Der wilde Westen ist zurück.«
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