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Aus: Ausgabe vom 23.08.2024, Seite 15 / Feminismus
Nachruf

Stimme des irischen Feminismus

Langjährige Aktivistin und Journalistin Nell McCafferty verstorben. Ein Nachruf
Von Dieter Reinisch
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Journalistin, Autorin und feministische Aktivistin: Nell McCafferty am 18. Mai 2014

Am Mittwoch morgen wurde bekannt, dass Nell McCafferty in ihrem Pflegeheim in der Grafschaft Donegal gestorben ist. Sie war Gründungsmitglied des Irish Women’s Liberation Movement und engagierte sich als Journalistin und Autorin. Sie war eine der wichtigsten feministischen Aktivistinnen Irlands ihrer Generation.

Die in Derry geborene und weithin anerkannte Aktivistin starb im Alter von 80 Jahren. McCafferty wurde 1944 in Derry geboren und wuchs im nationalistischen Bogside auf – damals ein Slum, in dem die katholische Bevölkerung von den protestantisch-unionistischen Politikern und Behörden systematisch unterdrückt wurde. Diese Erfahrungen und die Behandlung als Bürger zweiter Klasse prägten McCaffertys gesamtes Leben entscheidend. Sie gehörte zu den ersten Katholiken, die an der Queen’s University in Belfast aufgenommen wurden, wo sie Kunst studierte und sich für Bürgerrechte einsetzte. Nach ihrem Studium arbeitete sie kurz in der Lehre, bevor sie sich dem Journalismus und dem Schreiben zuwandte.

1970 gründete sie das Irish Women’s Liberation Movement in Dublin mit. Zu jener Zeit rückten auch vermehrt politische Themen, vor allem die soziale Ungerechtigkeit in Irland, in ihren Schriften in den Fokus. Zu ihren bekanntesten Werken gehören »The Armagh Women« über weibliche republikanische Gefangene und deren Hungerstreiks im Gefängnis von Armagh, sowie »Peggy Deery: A Derry Family at War« über ihre Geburtsstadt und den dortigen Konflikt. McCafferty wurde so zu einer lautstarken Verfechterin der Rechte von Frauen, Armen und Menschen, die Unrecht erlitten. Sie arbeitete für mehrere Medien, darunter die Irish Times, die Sunday Tribune und Hot Press, und trat regelmäßig in Radio- und Fernsehsendungen auf. In einem Nachruf bezeichnete sie der öffentlich-rechtliche RTÉ als »die Stimme und das Gesicht des irischen Feminismus«.

Ihre mediale Präsenz nutzte sie für soziale Kampagnen: Darunter die Unterstützung der Familien der Todesopfer des »Bloody Sunday« in Derry oder der republikanischen Hungerstreikenden 1981, und sie machte die Zustände in irischen Erziehungsheimen und sexualisierte Gewalt in der katholischen Kirche bekannt. Dafür erhielt sie viele Auszeichnungen, darunter 2016 eine Ehrendoktorwürde für Literatur vom University College Cork.

In seinem Nachruf sagte Irlands Präsident Michael D. Higgins, sie sei »eine Pionierin gewesen, wenn es darum ging, jene tiefgründigen Fragen zu stellen, die man hätte stellen können, die aber vergraben, versteckt oder vernachlässigt worden waren«. Die nordirische Regierungschefin, Michelle O’Neill von der republikanischen Partei Sinn Féin, würdigte McCafferty als »Wegbereiterin« und »herausragende Persönlichkeit« des irischen Journalismus: »Ich war eine stolze Tochter von Derry, und ihre Weisheit, ihr Humor und ihre Bescheidenheit werden allen, die sie kannten, schmerzlich fehlen«. Sie habe »jeden Tag gelebt und gearbeitet, um die Bedrängten zu trösten und die Bequemen zu bedrängen. Meistens gefiel das den Mächtigen nicht. So wusste sie, dass sie das Richtige tat.« Und O’Neill weiter: »Ihre Schriften und Kampagnen trugen dazu bei, Irland zum Besseren zu verändern. Sie wird uns sehr fehlen.«

McCafferty war bis zu ihrem Tod Mitglied der Journalistengewerkschaft NUJ. Séamus Dooley, irischer NUJ-Sekretär, sprach ihrer Familie sein Beileid aus und erklärte, dass mit ihrem Tod »ein helles Licht erloschen« sei. »Sie war als Reporterin, Kolumnistin, Autorin und Rundfunksprecherin eine der renommiertesten Journalistinnen des Landes.« Die Öffentlichkeit habe in ihr »ein tiefes Engagement für soziale Gerechtigkeit« erkannt. An diesem Freitag wird Nell McCafferty ihre letzte Ruhe auf dem Friedhof der St. Columba’s Church in Longtower finden.

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