Wie ein Vulkanausbruch
Von Peer SchmittBis Donnerstag lief noch das Qualifying, am Montag werden sie in New York beginnen, die 144. US Open. Am Mittwoch hatte man als Höhepunkt der Fanwoche Spaß bei einer öffentlichen Trainingssession zwischen Titelverteidiger Novak Đoković und Juan Martín Del Potro. Die beiden hatten 2018 das Finale bestritten. Del Potro war 2022 nach vielen Verletzungen vom aktiven Profitennis zurückgetreten. Er war Titelträger im Jahr 2009, als er Roger Federer in einem denkwürdigen Finale in fünf Sätzen bezwang.
Del Potro war ein Liebling der Fans. Sein letztes aktives Match speziell gegen Đoković spielte er 2019 beim ATP Masters 1000 in Rom. Đoković spielt bekanntlich immer noch. Ende Juli ist er in Paris im Finale gegen Carlos Alcaraz Olympiasieger geworden. Er ist 37 Jahre alt. Die Goldmedaille hatte für ihn in diesem Jahr sicherlich gegenüber der ATP-Tour Priorität. Der Olympiasieg ist in diesem Jahr bisher sein einziger Titel, obwohl sich die Saison ihrem letzten Drittel entgegenneigt.
Genau vor einem Jahr bestritt Đoković beim Masters 1000 in Cincinnati gegen Alcaraz eines der spektakulärsten Finals der jüngeren ATP-Geschichte (5:7, 7:6, 7:6 für den Serben). Đoković spielte nach dem Olympischen Turnier weder die Canadian Open noch in Cincinnati. Alcaraz verlor in Cincinnati gegen Gaël Monfils gleich sein erstes Match.
Den Titel in Cincinnati gewann statt dessen Jannik Sinner im Finale gegen den US-Amerikaner Frances Tiafoe und damit sein fünftes Turnier allein in dieser Saison. Der Weltranglistenerste hatte sich damit nach zuletzt zumindest für seine Maßstäbe durchwachsenen Leistungen in den Kreis der Topfavoriten für die US-Open zurückgespielt. Der Turniersieg in Cincinnati wurde dann aber von einer anderen Nachricht überschattet, in deren Zentrum ebenfalls der Italiener stand.
Die italienische Sportzeitung La Gazzetta dello Sport bringt es auf den Punkt. »Eine Nachricht, die die Erde beben ließ wie ein Vulkanausbruch«, heißt es zu den zwei positiven Dopingtests des 23jährigen Südtirolers. Die Nachricht trifft den Tenniszirkus im Kern. Kurz vor Beginn des letzten Majors der Saison erfreut sie sich natürlich einer besonderen Aufmerksamkeit.
Auch wenn alle Beteiligten schnell bemüht waren, Sinners Unschuld zu beteuern, zu erklären und zu dokumentieren, bleibt der Schock, dass die aktuelle Nummer eins der Welt überhaupt zwei positive Dopingproben abgegeben hat.
Schließlich befindet sich das Herrentennis gerade in einer Übergangsphase. Publikumslieblinge wie Del Potro oder Roger Federer sind zurückgetreten, und auch Rafael Nadal steht kurz vor seinem Abschied. Der US-Open Sieger von 2010, 2013, 2017 und 2019 hat jedenfalls seine Teilnahme in diesem Jahr abgesagt.
Daher ist es die Rivalität zwischen Sinner und Alcaraz, die die nächste Ära auf der ATP-Tour prägen soll. Der Übergang zwischen den Generationen schien halbwegs fließend zu verlaufen. Dass nun ausgerechnet eines der beiden neuen Aushängeschilder mit Doping in Verbindung gebracht wird, ist in der Tat ein Beben »wie ein Vulkanausbruch«. Auch wenn Sinner erst einmal um eine Sperre herumkommt. Denn obwohl der Italiener im März zweimal positiv auf das verbotene anabole Steroid Clostebol getestet wurde, darf er bei den an diesem Montag beginnenden US Open ganz normal an den Start gehen.
Nach Angaben der verantwortlichen International Tennis Integrity Agency (ITIA) ist Sinner am vergangenen Donnerstag von einem unabhängigen Tribunal der privatwirtschaftlichen Schlichtungsstelle Sports Resolutions freigesprochen worden, da er das verbotene Mittel nicht vorsätzlich verwendet habe. Sinner erklärte in einem in den sozialen Medien verbreiteten Statement, die Substanz sei über die Hände seines Physiotherapeuten in seinen Körper gelangt. Demnach habe der Betreuer ein in Italien rezeptfreies clostebolhaltiges Spray benutzt, um einen Schnitt an seinem eigenen Finger zu behandeln.
Danach habe er Sinner massiert, was »zu einer unwissentlichen transdermalen Kontamination führte«. Der ITIA zufolge hielten wissenschaftliche Sachverständige Sinners Erklärung für glaubwürdig. Deshalb habe die ITIA auch davon abgesehen, den Italiener zumindest vorläufig zu suspendieren. Nach einer weiteren Untersuchung änderte sich in der Sache nichts. Lediglich das Preisgeld und die Weltranglistenpunkte für den Halbfinaleinzug beim Masters-1000-Turnier in Indian Wells werden ihm aberkannt.
Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) will die Entscheidung allerdings prüfen. Man behalte sich das Recht vor, gegebenenfalls Berufung beim Internationalen Sportgerichtshof in Lausanne einzulegen, erklärte die WADA.
Abgesehen von unglücklichen Schlagzeilen wie diesen ist auch die Debatte um den Videobeweis im Tennis jüngst neu entfacht worden. Es sei »peinlich«, dass es diese technische Hilfe nicht gebe, schimpfte Đoković noch vor wenigen Tagen. Als erstes Grand-Slam-Turnier führten zumindest die US Open den Videobeweis vor einem Jahr ein. Bei dieser Auflage können Spieler bereits auf acht Plätzen eine Überprüfung verlangen, ob beispielsweise ein Ball zweimal aufgekommen ist oder ein Spieler das Netz berührt hat.
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