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Aus: Ausgabe vom 24.08.2024, Seite 5 / Inland
Umweltpolitik

Bluff mit Biokraftstoffen

DUH-Studie: Beimischungen aus Raps, Mais und Palmöl zu Benzin keine umweltschonende Alternative
Von Wolfgang Pomrehn
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Monokultur für den Tank: Blühende Rapsfelder entlang der Landstraßen Niedersachsens

Die sogenannten Biokraftstoffe sind alles andere als bio. Das hat dieser Tage einmal mehr eine Studie der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gezeigt. Schon seit den 1990ern ist bekannt, dass der Energie- und Flächenaufwand für die meist aus Raps, Mais, Palmöl oder auch Zuckerrohr gewonnenen Kraftstoffe erheblich ist und ihr Einsatz daher nicht unbedingt wünschenswert. Dennoch werden sie seit Jahren als Beimischungen zu Benzin und Diesel als E5, E10, B7, B19 oder auch HVO 100 verkauft.

Vielen konservativen und liberalen Politikern gelten sie als umweltschonende Alternative. Zuletzt forderte der Lobbyverband der Automobilindustrie, die Entwicklung »erneuerbarer« Treibstoffe gezielt zu fördern. Der Kraftstoff HVO 100 geriet in die Schlagzeilen, weil der Verkehrsstaatssekretär Oliver Luksic (FDP) die Schirmherrschaft einer Werbekampagne für ihn übernommen hatte. Auch sein »Arbeitgeber« Volker Wissing (FDP) hatte sich laut Recherche des ZDF-Magazins »Frontal« gegen Bezahlung für die Kampagne einspannen lassen und verweigerte zugleich die Herausgabe von Abgasmessdaten für den vermeintlich besonders sauberen Dieselersatz.

Nun hat eine im Auftrag der DUH vom Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung (IFEU) durchgeführte Studie erneut die negativen Seiten dieser vermeintlichen Alternative beleuchtet. Als Argument für ihren Einsatz wird meist angeführt, dass das bei ihrer Verbrennung freigesetzte CO2 durch das Nachwachsen der Pflanzen wieder gebunden wird. Zum einen bleiben aber all die anderen mit dem Verbrennungsmotor verbundenen Probleme bestehen, wie etwa die Emissionen schädlicher Stickoxide, an denen hierzulande jährlich nach unterschiedlichen Abschätzungen einige hundert oder auch bis zu 8.000 Menschen sterben.

Zum anderen müssen für Anbau, Pflege, Ernte, Transport und Verarbeitung der Pflanzen erhebliche Mengen an Energie aufgebracht werden – Energie, die entweder mit fossilen Kraftstoffen zur Verfügung gestellt wird oder aber mit erneuerbaren Energieträgern. Doch in dem Fall können diese nicht für andere Zwecke eingesetzt werden, und da es noch keine 100prozentige Versorgung mit Solar- und Windstrom gibt, bedeutet auch das eine indirekte Förderung des Verbrauchs fossiler Kraftstoffe. Von CO2-Freiheit kann also keine Rede sein.

Die IFEU-Studie kommt zu dem Schluss, dass im Falle von sogenanntem Biodiesel pro Kilowattstunde Energie, die in diesem gespeichert ist, 0,45 bis 0,63 Kilowattstunden aufgebracht werden mussten. Die CO2-Emissionen werden also bestenfalls halbiert. Am schlechtesten ist das Verhältnis beim Soja. Im Falle von Ethanol, das dem Benzin beigemischt wird, müssen durchschnittlich 0,71 bis 1,11 Kilowattstunden aufgewendet werden, um Ethanol für eine Kilowattstunde zu erhalten. Schlimmstenfalls wird also gar mehr Energie hineingesteckt, als an Energie aus dem synthetischen Kraftstoff herauskommt. Etwas günstiger sieht es aus, wenn die Verwertung der Reststoffe herausgerechnet wird. Dann ergeben sich die jeweils niedrigeren der oben genannten Werte.

Zu weiteren negativen Aspekten der Agrokraftstoffe gehört der Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln, der wegen der negativen Auswirkungen auf Insekten und Gewässer ohnehin deutlich reduziert werden müsste. Die Autorinnen und Autoren kommen zu dem Schluss, dass für den derzeitigen deutschen Verbrauch an agrarischen Kraftstoffen knapp 10.000 Tonnen Pestizide aufgewendet werden. Zum Vergleich: Laut Umweltbundesamt werden in Deutschland pro Jahr etwa 30.000 bis 35.000 Tonnen Pestizide verkauft.

An Düngemitteln werden für den Agrosprit jährlich 139.000 Stickstoff und 14.000 Tonnen Phosphor eingesetzt, wobei die Weiterverwertung von Reststoffen herausgerechnet wurde. Das seien bereits 17 beziehungsweise 14 Prozent dessen, was Deutschland nach internationalen Verträgen und Beachtung der planetaren Grenzen zusteht, also der Menge, die langfristig eingesetzt werden kann, ohne die Artenvielfalt zu schädigen. Hinzu kommt nach Abzug des Anteils der verwerteten Reststoffe schließlich noch ein Flächenbedarf von 550.000 Hektar. Und das alles, um knapp sieben Prozent des deutschen Kraftstoffbedarfs zu decken.

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