Kontrolle ist alles
Von Alex FavalliDer Gründer der Plattform Megaupload, Kim Schmitz alias »Kim Dotcom«, wird wohl an die USA ausgeliefert. Der neuseeländische Justizminister hat die hierfür nötigen Schritte eingeleitet: »Ich habe alle Informationen sorgfältig geprüft und entschieden, dass Herr Dotcom an die USA ausgeliefert werden sollte, damit er vor Gericht gestellt werden kann«, erklärte Paul Goldsmith am 15. August. Seit 2010 hat der in Kiel geborene Schmitz seinen Wohnsitz in Neuseeland und kämpft seit 2012 gegen seine Auslieferung an die USA. Von sich selbst sagt der frühere Unternehmer: »Ich bin einfach ein ehemaliger Hacker mit großen analytischen Fähigkeiten, der versteht, was in der Welt passiert.« Und diesen Analysen folgen allein auf der Plattform X 1,6 Millionen Menschen.
Am Sonntag wurde nun der Gründer und Chef des Messengerdienstes Telegram, Pawel Durow, am Pariser Flughafen von den französischen Behörden festgenommen. Auch ihm wird vorgeworfen, dass er aufgrund des Datenverkehrs auf seiner Plattform Komplize von illegalen Aktivitäten sei. Kim Dotcom stellte daraufhin auf X die Frage: »Auf den Straßen von Paris wird mit Drogen gehandelt. Sollte Macron verhaftet werden?« Ihn selbst wollen die USA wegen Verletzung von Urheberrechten und Geldwäsche vor Gericht stellen. Nach Angaben des Justizministeriums droht Dotcom bei einer Verurteilung in allen Anklagepunkten eine Höchststrafe von 55 Jahren Gefängnis in den Vereinigten Staaten.
Seine 2005 gegründete Website Megaupload ermöglichte das Hochladen von Dateien mit unbeschränkter Größe, was zu seiner Zeit eine bahnbrechende Entwicklung war. Der Dienst stand den Nutzern kostenlos zur Verfügung und wurde hauptsächlich für Filme und Musik benutzt. 2011 sollte außerdem das neue Projekt unter dem Titel Megabox online gehen, das Künstlern die cloudbasierte Veröffentlichung ihrer Musik in einem Onlinestore erlauben sollte. Dabei sollten 90 Prozent der Einnahmen an die Künstler ausbezahlt und kostenlose Downloads durch Megaupload vergütet werden. Doch das FBI legte die Website kurz darauf lahm.
Kim Dotcom argumentiert seitdem, dass er nicht für Urheberrechtsverletzungen haftbar gemacht werden kann, die über seine Website begangen wurden. Es handelte sich dabei um einen Filesharing-Dienst, der es den Nutzern ermöglichte, Inhalte hochzuladen und den Link zum Herunterladen mit anderen zu teilen. »Das neuseeländische Urheberrechtsgesetz (92b) stellt klar, dass ein Internetanbieter nicht für die Handlungen seiner Nutzer strafrechtlich haftbar gemacht werden kann«, sagte Dotcom 2017, nachdem das Oberste Gericht erstmals gegen ihn entschieden hatte. »Es sei denn, man ist Kim Dotcom?«
Das Oberste Gericht, das unter dem Druck der US-Behörden stand, war anderer Meinung und argumentierte, dass das Verhalten nach neuseeländischem Recht als eine Art von Betrug eingestuft werden könnte, was den Weg für Dotcoms Auslieferung ebnete, die erstmals 2017 genehmigt wurde. Ein Jahr später bestätigte ein Berufungsgericht das Urteil. Im Jahr 2020 bestätigte der Oberste Gerichtshof des Landes das Urteil erneut, öffnete aber die Tür für eine neue Runde der gerichtlichen Überprüfung. 14 Jahre danach wurde der Auslieferungsantrag nun unterzeichnet.
Als Reaktion auf die Nachricht postete Dotcom auf X: »Keine Sorge, ich habe einen Plan«, und fügte mit einem Zwinker-Emoji hinzu: »Ich liebe Neuseeland. I’m not leaving.« Ira Rothken, ein Mitglied seines Anwaltsteams, sagte gegenüber Pressevertretern in Auckland, man arbeite an einer gerichtlichen Überprüfung vor dem Obersten Gerichtshof in Neuseeland. »Der Kampf für Gerechtigkeit geht weiter. Die Welt schaut zu.«
Klar ist: Die Regierungen der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union sind seit einigen Jahrzehnten darum bemüht, Präzedenzfälle zu schaffen, um das Internet unter ihre Kontrolle zu bringen, die Privatsphäre der Bürger zu verletzen und den Überwachungsstaat weiter auszubauen. Das Urheberrecht wird zunehmend als Alibi genutzt, um Kapital und etablierte Industrien zu schützen, während große Technologieunternehmen wie Google, Meta und Open-AI weitgehend ungeschoren davonkommen.
Während Einzelpersonen und kleinere Unternehmen rigoros verfolgt werden, wenn sie gegen Urheberrechtsgesetze verstoßen, scheinen große Konzerne wie Google und Open-AI, die ebenfalls riesige Mengen an urheberrechtlich geschütztem Material verarbeiten, nahezu immun gegen rechtliche Konsequenzen zu sein. Diese Unternehmen argumentieren oft, dass ihre Nutzung unter die sogenannten Fair-Use-Bestimmungen fällt oder dass ihre Technologien lediglich die Inhalte »verarbeiten«, statt sie direkt zu reproduzieren.
Doch die Realität sieht anders aus: Die Algorithmen von Google scannen und indizieren regelmäßig ganze Websites und machen diese zugänglich, oft ohne Zustimmung der Ersteller der Inhalte. Open-AI wiederum hat Sprachmodelle entwickelt, die mit Hilfe riesiger Mengen an Textdaten trainiert wurden, die aus dem Internet gesammelt wurden – häufig ohne explizite Erlaubnis der Urheber.
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