Versager brauchen Feindbild
Von Klaus FischerDie BRD-Wirtschaft stagniert – mit permanenter Rezessionsgefahr. Das haben auch die hiesigen Mainstreammedien begriffen. Zu der wenig angenehmen Tatsache kommt, dass die westlichen »Freunde« das nicht nur mit Sorge, sondern auch mit Häme sehen. So hat das britische Wirtschaftsblatt The Economist Deutschland zum zweiten Male nach Ende der 90er Jahre zum »kranken Mann Europas« gekürt. Und das nicht ganz zu Unrecht – auch wenn London gern ausblendet, dass das stolze Vereinigte Königreich keinen Deut besser dasteht. Doch hier wie dort fällt den Medien vor allem eines ein: Die Schuld bei anderen zu suchen.
»Ob Autos, Maschinen oder Chemieprodukte: Chinesische Hersteller setzen die deutsche Konkurrenz auf dem Weltmarkt immer stärker unter Druck«, hieß es am Freitag im deutschen Gegenstück zum Economist, dem Handelsblatt. »Während der Anteil chinesischer Exporte in vielen Branchen seit Jahren kontinuierlich steigt, stagnieren die deutschen Ausfuhren oder sinken sogar. Das zeigen Berechnungen des Handelsblatt Research Institute (HRI)«, steht da geschrieben. Ja, wer hätte das wohl gedacht, könnt man sarkastisch anfügen.
Analyse bedeutet primär, den Grund für eine Entwicklung zu suchen. Derzeit erfreut man sich beim Betrachten von Erscheinungen, deren Ursachen ausgeblendet werden. »Ökonomen warnen, dass sich dieser Trend verstärken könnte«, heißt es in dem Artikel weiter, und die Autorin fügt ein paar Zitate eines Experten an. »Wir machen uns Sorgen um das deutsche Exportmodell«, wird Rolf Langhammer vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel zitiert. »Es ist nicht ausgeschlossen, dass dieses Modell, so wie wir es aus der Vergangenheit kennen, in den kommenden Jahren zu Ende geht.« China verfolge eine »aggressive Strategie«, um Unternehmen in Schlüsselindustrien zu Weltmarktführern aufzubauen. Dazu würden bestimmte Branchen gezielt und in großem Umfang gefördert. Teilweise würden diese Unternehmen dann deutlich mehr produzieren, als der chinesische Markt aufnehmen kann. Diese Produkte werden dann zu besonders günstigen Preisen auf den Weltmarkt geworfen.
Es bleibt den Leuten beim IfW und beim Handelsblatt überlassen, wie sie Weltmarkt definieren. Aber dass Exporte »böse« sind, haben bisher immer nur jene behauptet, die nicht (oder nicht mehr) in der Lage sind, im Konkurrenzkampf mitzuhalten. Tatsache ist nämlich, dass der frühere »Exportweltmeister« Deutschland ebenso wie dessen einstiger Vorgänger Japan sich wegen zwei Hauptursachen von der Spitze verabschieden mussten: Die eigenen Fehler und der Sanktionsdruck eines übermächtigen Konkurrenten – der nicht China, sondern USA heißt.
Dieses bewährte Stück Machtpolitik wird auch gegenwärtig exekutiert. Deutschland, mit einer wenig wettbewerbsfähigen Regierung und einer handzahmen Kapitallobby, hat das einfach hingenommen. Und »Experten« schieben die Folgen dreist den Chinesen (und den Russen sowieso) in die Schuhe. Daraus einsteht ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit. Die Krisensymptome sind deutlich: Die hiesige exportorientierte Industrie leidet unter deutlich verschlechterten Konkurrenzbedingungen. Hohe Energiepreise, fehlende Fachkräfte, eine die Produktivität und Profitabilität zunehmend hemmende Bürokratie führen zu den erwartbaren Resultaten. Gewinne gehen zurück, Marktanteile verschwinden, auch bislang als gesund geltende Unternehmen machen pleite und die Fluchttendenz des Kapitals nimmt zu. Die Ursachen jedoch werden verschwiegen oder durch seltsame Konstrukte ersetzt.
Das aktuelle ist: China, der Hauptkonkurrent, wird an den Pranger gestellt, mit Sanktionen und Einfuhrzöllen bedrängt. Und die BRD-Wirtschaft bekommt das zu spüren: Sie wird von Washington und der eigenen Regierung gegen China in Stellung gebracht. »Deutsche Unternehmen sehen sich auf dem chinesischen Markt und auf den Drittmärkten einem viel stärkeren Wettbewerb durch chinesische Unternehmen ausgesetzt«, zitiert das Handelsblatt Xie Yanmei, Geopolitikanalystin beim Hongkonger Analysehaus Gavekal.
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