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Aus: Ausgabe vom 26.08.2024, Seite 11 / Feuilleton
Punk

Besser jetzt als dann

X verabschieden sich mit dem Album »Smoke and Fiction«
Von Norman Philippen
X,_1980.jpg
Verdammt jung: X (1980)

Kaum vergehen fünf Dezennien, läuft eine Punkband schon Gefahr, als Schatten ihres einstigen selbst tatsächlich ohne viel Future zu sein. Da begräbt man besser Planungen weiterer Touren und Alben und überlässt den Durchhalterekord am Ende einfach UK-Subs-Frontman Charlie Harper und ist’s zufrieden. Die – mit langer Unterbrechung zwischen 1993 und 2000 – seit 1977 existenten X aus Los Angeles halten es so und läuten mit ihrem neunten Studioalbum »Smoke and Fiction« die letzte Runde und ihre Abschiedstournee ein.

Daran tun Exene Cervenka, John Doe, D. J. Bonebrake und Billy Zoom womöglich auch gut, waren X zwar nie riesig erfolgreich, aber allemal recht einflussreich, und gibt es also einen gewissen Ruf durchaus noch zu verlieren. Den machen sie sich durch die letzten zehn, von Rob Schnapf produzierten Songs nicht kaputt. Ob es wirklich die letzten sein werden, bleibt allerdings ungewiss. Der ein oder andere Song könnte eventuell schon noch erscheinen, wie John Doe durchblicken ließ. Ein Album aber niemals mehr. Ob auf dem finalen wirklich Bleibendes ist, lässt sich 2077 besser sagen, aber mehr als Schall und Rauch bzw. Rauch und Fiktion gibt es schon zu hören. Insgesamt reichlich reflektiert Reminiszierendes aus Sicht alter Punkrockrecken, das ums Verrecken nicht peinlich tönt. Statt nach verrauchten Fiktionen alternder Freaks auch mehr handfest real als alt und banal.

Wenngleich Doe und Cervenka als gewohnt gutes, nur leicht schief harmonierendes Duett auch mehr besingen, was war, statt wie es werden könnte. Und wie war es? Nun, »The Way It Was«: »We never were kids, but we were pretty young / We did what we did just to get along / That’s just the way it was.« Eine Band hat nur ein Ende, es ist, wie es ist. Oder, wie es laut Lead Single »Big Black X« ganz am Anfang einmal war, die so ziemlich nach dem schnellen schäbigen Straßenköterleben klingt, wie es auf X’ Debütalbum »Los Angeles« 1980 verewigt wurde. Ähnlich der Song »Flipside«. Hört man Stücke wie »Struggle« aber aufmerksam, sind alters- und erfahrungsbestimmte Positionsanpassungen deutlich vernehmbar. Verhandeln Cervenkas gewohnt poetische Verse doch keine adoleszente Wut, Ängste und Leidenschaften mehr, sondern subsumieren erklecklich kitschfrei, weniger weise als nun schlicht etwas mehr wissend, dass auch für alle Subhumanen, die eigentlich nie hatten alt werden wollen, beizeiten das Ende bevorsteht.

Eines ist ohne größeren hörbaren Schrecken in diesem Falle zweifellos. »Smoke and Fiction« reiht sich ohne weitere Irritationen in die X-Diskographie ein und bringt sie zu einem würdigen Abschluss. Viel schlimmer und unwürdig wäre es, hätten X ihren Final Call überhört und würden sich bald weiter auf Bühnen quälen, von denen sie längst hätten abtreten sollen. Nicht allen Altpunks ist es gegeben, auf ewig so frühlingsfrisch und knabenhaft fidel zu bleiben wie Harpers Charlie von den UK Subs.

Verabscheuungswürdige Außverkaufsposer und unverzeihliche Quitter bleiben X damit aber dennoch selbstverständlich. Als richtiger Rocker stirbt man gefälligst um jeden Preis auf der Bühne.

Ein guter, gemeiner Abschlussatz mit X: »Tschüssi und Danke für nix.«

X: »Smoke and Fiction« (Fat Possum)

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