Aus Leserbriefen an die Redaktion
Arbeiten bis Exitus
Zu jW vom 22.8.: »Renten müssen rauf«
Etwas läuft falsch in der BRD. Anstatt von einer zügigen Erhöhung der Rente zu reden, melden sich immer mehr Politikerinnen und Politiker wie Gitta Connemann (CDU) und diverse Wirtschaftsweisen zu Wort, das Renteneintrittsalter zu erhöhen, und wer vorzeitig mit 63 in Rente gehen will, soll noch höhere Abschläge in Kauf nehmen. Hier wird nach dem Motto verfahren: Für eine sichere Rente arbeiten bis zum Umfallen! Matthias W. Birkwald hat somit recht, die Renten müssen rauf, aber das wird wohl kaum so kommen, denn wie heißt es so schön: »Die Rentenkasse ist leer.« Warum zahlen nicht alle in die gesetzliche Rentenversicherung ein, also auch Beamte und sogenannte Berufspolitiker? Weil diese Politiker sich natürlich in diesem Fall selbst am nächsten sind! (…)
René Osselmann, Magdeburg
»Massenkampf«
Zu jW vom 19.8.: »Teddy unvergessen«
Unvergessen – Ernst Thälmann: Am Sonnabend, dem 17. August, gedachten Chemnitzerinnen und Chemnitzer der hinterhältigen Ermordung des glühenden Antifaschisten Ernst Thälmann vor 80 Jahren im KZ Buchenwald. Frühzeitig erkannte Thälmann die drohende Gefahr und warnte vielfach vor der Wahl der NSDAP und ihres Führers Hitler. Er bemühte sich ernsthaft und nachdrücklich um die Entwicklung eines breiten antifaschistischen Kampfbündnisses. Dabei ging es ihn um die Entwicklung ökonomischer Streiks, Erwerbslosenaktionen, Aktionen zur Verteidigung der Sozialversicherung, gegen Steuerwucher, gegen Zwangsversteigerungen und Exmittierungen und, wenn möglich, einen Generalstreik gegen die Papen-Regierung zu führen. »Durch diesen Massenkampf allein können wir die weitere faschistische Entwicklung aufhalten.« Nur durch den Massenselbstschutz gegen faschistischen Terror und durch die Entlarvung der Nazidemagogie könne der Hitlerfaschismus zurückgeschlagen werden. Das entscheidende Kettenglied zur Entfaltung des Massenwiderstandes gegen Faschismus, Hunger und Krieg, sei die Antifaschistische Aktion. Diese Gedanken Thälmanns sind noch heute wegweisend.
Raimon Brete, Chemnitz
Zwang und Verformung
Zu jW vom 22.8.: »Sex sells«
Dass Menschen sich verkaufen müssen, ist in Ausbeuterordnungen nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Der doppelt freie Lohnarbeiter verkauft seine Arbeitskraft nicht freiwillig. Es ist der Zwang, anders nicht überleben zu können, der ihn dazu bringt, sich auspressen lassen zu müssen. Dieses Handeln unter Zwang erklärt die kapitalistische Gesellschaft für absolut rechtens. Um später bei ähnlich menschenunwürdigen Umständen moralisierend zu ergänzen, dass eines gar nicht ginge: Gewalt. Zwang ohne Gewalt – was für eine perfide Hilfskonstruktion für eine Situation, in der Menschen für Geld tun müssen, was sie ohne den Zwang zum Überleben nie tun würden. Die ganze politische Ökonomie der Prostitution besteht darin, wie ein menschliches Wesen so hingebogen werden kann, dass es sich in eine kaufbare und verkaufbare Sache verwandelt. So einfach ist das in der wertegeleiteten Gesellschaft: Der Mensch ist kein denkendes und fühlendes Wesen mehr, er ist ein Ding, geboren zum Gebrauchen und Wegwerfen. Was für eine hochmoralische Ordnung!
Joachim Seider, Berlin
»Schwerwiegende Zugeständnisse«
Zu jW vom 21.8.: »Verfassungstreuer Revolutionär«
Das beginnt bereits mit Togliattis Rolle als Hauptredner neben Pieck und Dimitroff auf dem VII. Weltkongress 1935 in Moskau, in der er (laut Protokoll) mit keinem Wort die Leistungen des zu dieser Zeit schwerkrank in Mussolinis Kerker sitzenden Antonio Gramsci erwähnte. Dieser hatte nach der Errichtung der Mussolini-Diktatur 1922 als erster marxistisch-leninistischer Theoretiker eine Analyse der neuen Herrschaftsform des Imperialismus vorgenommen und grundlegende Schlussfolgerungen für eine breite nationale Strategie der Kommunisten im Kampf dagegen gezogen.
Heftig umstritten war in der IKP, dass Togliatti die nach dem Sieg über den Faschismus, der das ökonomische und politische Fundament des italienischen Imperialismus grundlegend erschütterte, im April 1945 entstandene klassische revolutionäre Situation, die bis zum Spätherbst anhielt, nicht zu revolutionär-demokratischen antiimperialistischen Veränderungen nutzte. Er wollte das in der Resistenza entstandene breite antifaschistische Bündnis mit den großbürgerlichen Kräften auch auf Regierungsebene weiterführen und setzte für antifaschistisch-demokratische Veränderungen ausschließlich auf den parlamentarischen Weg. (…)
Er orientierte sich an Josef W. Stalin, der nach dem faschistischen Überfall auf die UdSSR die Parteien der Komintern mit Blick auf die Schaffung einer Antihitlerkoalition angewiesen hatte, »die Frage der sozialistischen Revolution nicht aufzuwerfen«. Nach Kriegsende ging es Stalin nun nicht um weltweite revolutionäre Ziele, sondern um die Sicherung des erreichten Einflussbereiches auf der Grundlage der Fortsetzung der einvernehmlichen Zusammenarbeit mit den westlichen Alliierten. Dieses Ziel sollte/wollte Togliatti durch die Fortsetzung des im Befreiungskrieg gegen Hitlerdeutschland geschlossenen Bündnisses mit den großbürgerlichen Parteien, vor allem mit der Democrazia Cristiana, auch für antifaschistisch-demokratische Umgestaltungen innenpolitisch flankieren. (…)
Togliatti machte dazu jedoch schwerwiegende problematische Zugeständnisse: Als Justizminister fügte er sich der Auflösung des »Hohen Kommissariats zur Verfolgung der Regimeverbrecher« und einer folgenden sogenannten Amnestie der »nationalen Versöhnung«, mit der die begrenzten Säuberungen im öffentlichen Dienst eingestellt wurden. Widerstandslos stimmte er der Auflösung des CLN-Komitees als revolutionäres Machtorgan und der Entwaffnung der Partisanen zu. Togliatti räumte im Oktober 1946 auf einer Funktionärskonferenz ein, dass die günstige Ausgangssituation nach dem Sieg der Resistenza »im Grunde genommen nicht genutzt« worden sei. (…)
Doris Prato, per E-Mail
Das entscheidende Kettenglied zur Entfaltung des Massenwiderstandes gegen Faschismus, Hunger und Krieg, sei die Antifaschistische Aktion.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
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