75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Montag, 18. November 2024, Nr. 269
Die junge Welt wird von 2983 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 26.08.2024, Seite 15 / Politisches Buch
Marxistische Debatte

Depressive Phase

Neue Ausgabe der Zeitschrift Marxistische Erneuerung
Von Holger Czitrich-Stahl
RLIAMENT.JPG
Protagonistin der sogenannten Zeitenwende: Ursula von der Leyen (Straßburg, 18.7.2024)

In den Staaten der westlichen Hemisphäre zeichnet sich eine Periode des Ausbaus autoritärer Instrumente der Herrschaft und der Verengung demokratischer Diskurse ab. Die »multiple Krise« des Kapitalismus, die Verfestigung der Blockbildung gegen konkurrierende Staaten wie China und Russland und die wachsende Zuspitzung von Gegensätzen in den internationalen Beziehungen, in Summe also die sogenannte Zeitenwende, bringen eine Militarisierung der Politik und einen schleichenden Demokratieabbau mit sich. Mit der Phänomenologie der Zeitenwende setzt sich auch die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift Z auseinander.

Stimmen, die kritische Positionen zur als alternativlos vermarkteten Politik der Aufrüstung oder der Unterstützung der Politik der israelischen Regierung gegen die Palästinenser artikulieren, sind nicht nur unerwünscht, sondern schweben in einer wachsenden Gefahr der Stigmatisierung. Dass die Stationierung von Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik per Pressemitteilung eingeleitet wurde und der Bundestag noch nicht darüber debattieren konnte, zeigt, wie weit grundlegende demokratische Spielregeln bereits übergangen werden. Für diese Entwicklung zu einem autoritären Kapitalismus, zu dem das Erstarken rechter und faschistoider/faschistischer Kräfte gehört, diagnostiziert Frank Deppe in seinem Beitrag, dass mit der Weltwirtschaftskrise 2008/09 der Kapitalismus von einer langen Welle der weltweiten Expansion in eine depressive Phase eingetreten ist und seine Form der Globalisierung gestoppt wurde. Multiple Krise und »Deglobalisierung« stellen die Regime des Westens vor große Herausforderungen, die zunehmend mit Hilfe autoritärer Politik beantwortet werden.

Andreas Fisahn schließt mit seinem Beitrag daran an und untersucht die »autoritäre Renaissance« in Hinsicht auf das Binnenverhältnis zwischen Rechtsstaat und Demokratie. Seine Befürchtung ist, »dass wir uns derzeit in einer Transformation zu einem post-neoliberalen Stadium befinden, in dem Repression als Form von Herrschaftsausübung an Bedeutung gewinnt«. Hier anschließend ist die Frage interessant, ob nicht eine »autoritäre Renaissance« der eigentliche Kern der »marktkonformen Demokratie« ist.

Fünf weitere Beiträge lenken den Fokus auf die wirtschaftliche und soziale Situation in der BRD in dieser multiplen Krise. Hier geht es zunächst um den deutschen Nachkriegskapitalismus im Wandel (Heinz-Josef Bontrup), die deutsche Ökonomie in der Globalisierungsfalle (Wilfried Kurtzke) und Deutschlands getrübte Wettbewerbsfähigkeit (Malte Kornfeld). Die Zeitenwende als Kern der Politik der Ampelkoalition nehmen unter dieser Begrifflichkeit Jürgen Wagner und Christoph Butterwegge in Augenschein; Wagner gibt einen kursorischen Überblick über die Aufrüstung, Butterwegge betrachtet und bewertet die »sozialpolitische Zeitenwende«. Auch an dieser Stelle bleibt die zwingende Einsicht, dass ein grundlegender Richtungswechsel nötig ist.

Linke Parteien in Europa gingen aus den EU-Wahlen geschwächt hervor. Dies ist für Gerd Wiegel/John Lütten Anlass, den Standort der Linken zwischen Krise, Unsicherheit und Rechtsentwicklung zu analysieren. Cornelia Hildebrandt setzt am Wahlausgang an und widmet sich sowohl der Verschiebung der Verhältnisse im EU-Parlament nach rechts als auch den Problemen und Aufgaben der linken parlamentarischen Kräfte und möglicher Verbündeter. Aus den weiteren Rubriken sei hier noch auf zwei Aufsätze besonders hingewiesen: Barak Amini rekonstruiert in einem ersten Teil die »Odyssee von Marx’ Kapital in Großbritannien und den Vereinigten Staaten«, während John P. Neelsen die Rolle der BRICS-Staaten im kapitalistischen Weltsystem untersucht.

Zeitschrift Marxistische Erneuerung, Nr. 139 (September 2024), herausgegeben vom Forum Marxistische Erneuerung e. V. und dem IMSF e. V., 224 Seiten, Einzelheft 10 Euro, Kontakt: redaktion@zme-net.de

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Mehr aus: Politisches Buch