Aufschlag und Herzschlag
Von Oliver RastZwei Punkte fehlen noch, nur noch zwei! Zwischenstand 9:9 im letzten und entscheidenden vierten Satz im Finale der Faustballeuropameisterschaft der Männer am Samstag nachmittag. Beide Teams liefern sich einen offenen Schlagabtausch, geben keinen Millimeter Spielfeld preis. Nicht die Deutschen, nicht die Österreicher – die Dauerkonkurrenten im Faustball. Die Zuschauer im Stadion von Frauenfeld im Schweizer Kanton Thurgau hocken längst nicht mehr in ihren Sitzschalen; sie stehen, klatschen, feuern ihre Lieblinge an. Das BRD-Quintett in schwarz, das Austria-Quintett in weiß.
Dramatik pur, Timon Lützow steht bereit zum Aufschlag. Der Angreifer der Berliner Turnerschaft läuft an, schraubt sich hoch, brettert den Ball über das fünf Zentimeter schmale rot-weiße Band in die gegnerische Hälfte. Lützows Pendant auf österreichischer Seite, Karl Müllehner, kann den druckvollen Aufschlag nicht kontrollieren, wehrt ins Aus ab. 10:9, erster Matchball. Das deutsche Trainerduo Olaf Neuenfeld/Chris Löwe nimmt eine Auszeit, allerletzte Instruktionen. Nur noch ein Pünktchen bis zum Sieg. Aufschlagwechsel, Müllehner hat den Ball, tippt das lederne Spielgerät sekundenlang auf den saftgrünen Rasen, blickt nach unten, hält inne, läuft an, holt weit aus – und dann: ein brillanter Stoppball. Zuspieler Jaro Jungclaussen im deutschen Dress hechtet mit ausgestrecktem, rechtem Unterarm nach vorne; zwecklos, der Ball tupft zweimal hintereinander auf. Ausgleich – 10:10. Nun liegt es abermals an Lützow, wieder visiert er »den Lionel Messi des Faustballs« Müllehner an, wieder erfolgreich. Matchball Nummer zwei, 11:10. Was macht der österreichische Topathlet, der Weltfaustballer von 2022? Vergeigt den Aufschlag, schmettert den Ball hinter die Außenlinie. Triumph für das deutsche Team. Ein Herzschlagfinale par excellence endet: 4:3 (9:11, 11:9, 8:11, 11:5, 9:11, 12:10).
Dabei war mit dem fünften EM-Titel in Serie nicht unbedingt zu rechnen. Nur die Hälfte des Weltmeisterkaders des vergangenen Jahres blieb zusammen. Neuenfeld baute drei Debütanten in den A-Kader ein, etwa den Matchwinner Lützow. Insgesamt gingen neun Mannschaften in Frauenfeld von Mittwoch bis Samstag an den Start. Die vier Topteams Deutschland, Österreich, Schweiz und Italien in der Gruppe A, fünf leistungsschwächere Teams in Gruppe B (Belgien, Dänemark, Polen, Serbien, Tschechien).
In der Vorrunde über drei Gewinnsätze hatten die späteren Europameister Italien mit 3:0, Österreich mit 3:1 und Gastgeber Schweiz mit 3:2 bezwingen können. Machtlos war im sogenannten Kreuzspiel des Viertelfinales Serbien, der Viertplazierte der Vorrundengruppe B war nur eine Durchgangsstation zum Halbfinale. Hier stand wiederum das Duell gegen Italien an – besser: jenes gegen die Vereinsmannschaft vom SSV Bozen. Wie das? Das Team spielt mangels heimischer Konkurrenz in der zweiten österreichischen Liga und vertritt seit 1968 die italienische Trikolore bei Europa- und Weltmeisterschaften. Wirklich konkurrenzfähig waren die Südtiroler nicht, unterlagen auch im zweiten Match gegen die Deutschen glatt nach Sätzen.
Was bleibt? Trotz Kaderumbau sind die Mannen von Neuenfeld unbezwingbar. Nahezu jedenfalls. Vor dem Turnier hatte sich der Langzeittrainer noch vorsichtig geäußert: Es werde sehr schwer werden, »ganz oben auf dem Treppchen zu stehen«. Österreich sei der Favorit, die Schweiz wegen des Heimvorteils in Lauerstellung. Letztlich kam es so wie (nahezu) immer: BRD Gold, Austria Silber, Helvetia Bronze.
Bemerkenswert: Lützow hat seinen Praxistest im A-Kader bestanden. Mit Bravour. Der EM-Neuling wird künftig nicht mehr mit dem Spruch durchkommen »Mich kennt kaum einer«, wie er jüngst auf der Verbandshomepage Faustball-Liga.de zitiert wurde. Wie auch, bei diesen spielerisch-athletischen Qualitäten: Bei seiner Sprungangabe oder beim Überschlag wuchtet sich der 28jährige auf eine Abschlaghöhe von dreieinhalb Metern in die Luft. Nicht nur das, »der Zwei-Meter-Hüne entschärfte reihenweise die Hochgeschwindigkeitsbälle von Müllehner«. Lützow, der, der die fehlenden Punkte holt.
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