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Aus: Ausgabe vom 27.08.2024, Seite 4 / Inland
Rechte Gewalt

Unerwünschte Sichtweisen

40. Jahrestag des Anschlags auf Migranten in Duisburg. Überlebende kritisieren Behörden
Von Henning von Stoltzenberg
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Gedenken an die sieben Toten des Brandanschlags von 1984 (Duisburg, 26.8.2023)

Am Montag jährte sich zum 40. Mal der Brandanschlag auf ein von migrantischen Familien aus dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei bewohntes Haus in Duisburg.

In der Nacht vom 26. auf den 27. August 1984 entdeckte die damals 13jährige Aynur Satır ein Feuer im Treppenhaus und alarmierte ihre Familie, bevor sie mehrere Meter in die Tiefe aus dem Fenster sprang und schwer verletzt überlebte. Sieben ihrer Familienmitglieder starben in den Flammen, darunter Satırs Mutter, vier Geschwister, ihr Schwager und ihr Neffe im Säuglingsalter. 23 Bewohner wurden verletzt.

Erst 1996 wurde die geständige Evelin D. vor dem Landgericht Duisburg für die Tat verurteilt. Sie sei durch »Pyromanie« motiviert gewesen, weshalb sie in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen wurde, in der sie 2010 starb. Ein rassistisches Motiv für den Brandanschlag auf das Mehrfamilienhaus wollten damals weder Polizei noch Lokalpolitiker erkannt haben. Dies wird bis heute von den überlebenden Familienmitgliedern kritisiert. Alle Toten hätten einen Migrationshintergrund und die Frau, die sich zu der Tat bekannte, hatte 1993 ein weiteres Feuer in einer Geflüchtetenunterkuft gelegt. Dies hätten die Behörden als klare Hinweise betrachten und in diese Richtung ermitteln sollen.

Dass ein fremdenfeindlicher Hintergrund überhaupt nicht zu vermuten sei, behauptet der Anwalt von Evelin D. auch rund 40 Jahre später gegenüber dem WDR. Dieser Argumentation war damals auch das Landgericht gefolgt und hatte kein rassistisches Motiv für die Tat erkannt.

Die Art und Weise der entpolitisierten Prozessführung erinnert unweigerlich an zahlreiche andere Verfahren, in denen der rassistische bis offen neonazistische Hintergrund zahlreicher Brandanschläge und Angriffe in den achtziger und neunziger Jahren vernachlässigt oder schlicht geleugnet wurde. Eine Tendenz, die bis heute in vielen Verfahren feststellbar ist.

Auch die Satır-Schwestern, die Nebenklage geführt hatten, kamen laut eigenen Berichten im Prozessverlauf nicht dazu, von dem Hakenkreuz zu berichten, das vor dem Brandanschlag in ihre Häuserwand geritzt wurde.

Nachdem der Anschlag über lange Jahre kaum Beachtung gefunden hatte, hat sich in den vergangenen Jahren dann doch etwas bewegt. Seit 2023 erinnert eine Gedenktafel am betroffenen Haus in der Wanheimer Straße 301 an die Toten.

Dazu schrieb die Stadt Duisburg in einer Stellungnahme: »Obwohl der Brandanschlag auf ein vor allem von Migrant*innen aus der Türkei und aus dem ehemaligen Jugoslawien bewohntes Haus erfolgte, wurden mögliche rassistische und/oder politische Motive der Tat unzureichend untersucht und von Polizei und Staatsanwaltschaft schnell verworfen.«

Das Landeskriminalamt (LKA) Nordrhein-Westfalen überprüft den Brandanschlag ein weiteres Mal mit Blick auf ein mögliches rassistisches Motiv im Rahmen des Projektes »Toreg NRW« (Todesopfer rechter Gewalt NRW). Aynur Satır beklagt in Medienberichten, dass bisher niemand vom LKA mit ihr in Kontakt getreten sei.

Die »schwarz-grüne« Landesregierung erklärte in einer Antwort auf eine Anfrage der SPD-Fraktion, dass die Perspektive der Hinterbliebenen beziehungsweise Überlebenden kein Bestandteil des Projektauftrages »Toreg NRW« sei.

Dieses Vorgehen kritisiert die Opferberatung Rheinland. Die Organisation, die Betroffene rassistischer, antisemitischer und anderer menschenfeindlicher Gewalt unterstützt, beklagt, das LKA missachte die »derzeit geltenden Kriterien für die Bewertung politisch motivierter Kriminalität«, denen zufolge »bei der Würdigung der Umstände der Tat neben anderen Aspekten auch die Sicht der/des Betroffenen mit einzubeziehen« sei.

Für den Abend des 26. August luden die Familien Satır und Turhan dazu ein, am Ort des Brandanschlags den Verstorbenen still zu gedenken. Im Theater der Stadt Duisburg wird am Sonntag abend das Stück »Die NSU-Monologe« im Rahmen des Gedenkens aufgeführt. Auch die Mordserie des NSU wurde von den Ermittlern entgegen zahlreicher Hinweise jahrelang nicht als neonazistisches Verbrechen gewertet, sondern »türkischen Rauschgifthändlern« zugeschrieben.

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