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Aus: Ausgabe vom 27.08.2024, Seite 6 / Ausland
Japan-Afrika-Gipfel

Ringkampf in Yokohama

Japan-Afrika-Gipfel: Marokko will Vertreter der Westsahara fernhalten. Abschlusserklärung schreibt deren Recht auf Teilnahme fest
Von Jörg Tiedjen
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Japan hat entschieden: Bei einem Afrikagipfel dürfen auch die Sahrauis nicht fehlen (Tokio, 25.8.2024)

Der jüngste Japan-Afrika-Gipfel in Yokohama war überschattet von einem handfesten Skandal. Urheber war Marokko, das sich seit langem beschwert, dass an der alle zwei Jahre stattfindenden Zusammenkunft auch Vertreter aus der Westsahara teilnehmen. Denn die ist nach Auffassung Rabats kein eigenständiges Land, sondern Teil Marokkos. Allerdings konnte sich das nordafrikanische Königreich nicht durchsetzen. Denn die Abschlusserklärung der Veranstaltung vom Sonntag unterstreicht, dass die Tokyo International Conference on African Development (TICAD) ein »Treffen zwischen Japan und den Mitgliedern der Afrikanischen Union« (AU) ist, zu deren Gründungsmitgliedern die Westsahara gehört. In einer Fußnote wird angemerkt, dass lediglich »ein Teilnehmerstaat eine andere Meinung ausgedrückt habe«, eben Marokko.

Das ist höflich formuliert. Denn von der robusten Art und Weise, wie Rabat seine »andere Meinung« ausgedrückt hat, gehen Videoaufnahmen um die Welt. Sie zeigen, wie der Vertreter Marokkos dem Kollegen aus der Westsahara auf einem Vorbereitungstreffen zur TICAD am Freitag das Schild entreißen will, auf dem »Sahrauische Republik« steht. Es folgt ein Handgemenge, das schließlich der Abgesandte Algeriens beendet, indem er den Angreifer in bester Ringermanier zu Boden wirft.

Marokko argumentiert, dass die 1976 von der Befreiungsfront Polisario ausgerufene Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS), wie die »Sahrauische Republik« vollständig heißt, kein UN-Mitglied sei und von Japan auch nicht anerkannt werde. Als die TICAD vor zwei Jahren in Tunesien stattfand, war Marokko ferngeblieben, um gegen die Anwesenheit der DARS zu protestieren. Tatsächlich hatte Japan die Teilnahme der DARS in Yokohama erst auf Druck der AU-Mitglieder ermöglicht, die traditionell die Unabhängigkeit der Westsahara verteidigen, wie die Vertreterin der Polisario-Front in Deutschland, Nadjet Hamdi, gegenüber jW angab. Durch ihre Handgreiflichkeit bewirkte die marokkanische Delegation schließlich das Gegenteil des Beabsichtigten. Nicht nur, dass die Abschlussdeklaration das Recht der Sahrauis, an der TICAD teilzunehmen, verbürgt. Unter den zur Konferenz veröffentlichten Pressefotos sticht jetzt eines heraus mit der Westsahara-Gesandtschaft im Mittelpunkt.

Es gibt eine weitere Ironie. Auf sie macht der marokkanische Journalist Ali Lmrabet in einem aktuellen Video auf Youtube aufmerksam. Zwar ist Marokko ständig damit beschäftigt, den Kampf der Sahrauis um Freiheit zu torpedieren. Doch eines der Länder, von denen die DARS als Staat anerkannt wird – ist das Königreich selbst. Als es nämlich 2017 der AU beitrat, nachdem es deren Vorläufer OAU eben wegen der Aufnahme der Westsahara in den 1980er Jahren verlassen hatte, musste Rabat auch die AU-Verfassung ratifizieren, indem es diese im Amtsblatt veröffentlichte. Dazu gehörte aber auch die Erwähnung ihrer Unterzeichnerstaaten. Und da ist, ganz genau wie auf dem Schild in Yokohama, eine »Sahrauische Republik« schwarz auf weiß festgehalten.

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