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Aus: Ausgabe vom 27.08.2024, Seite 7 / Ausland
Nahostkonflikt

Spur im Fall Durow führt nach Israel

Festnahme von Telegram-Gründer wegen Verbreitung von »Pro-Hamas-Inhalten«?
Von Knut Mellenthin
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Erinnerung an alte Ideale: Protest vor der französischen Botschaft gegen die Festnahme von Pawel Durow (Moskau, 24.8.2024)

Hinter der Verhaftung des Chefs der Messenger-App Telegram, Pawel Durow, am Sonnabend auf einem Flugplatz in der Nähe von Paris, steckt möglicherweise auch der Staat Israel. Darauf deutet ein Artikel der liberalen israelischen Tageszeitung Haaretz hin, der schon am Mittwoch vergangener Woche erschienen war. Dort wurde berichtet: Telegram habe sich seit Beginn des Krieges im Gazastreifen Anfang Oktober vorigen Jahres als »massive Herausforderung für Israel« erwiesen, weil auf dieser Social-Media-Plattform »eine Welle von Pro-Hamas-Inhalten« veröffentlicht worden sei. In der Hightechindustrie engagierte Israelis – Namen wurden nicht genannt – hätten deshalb Ende 2023 Kontakt zu dem in Dubai lebenden Durow aufgenommen. Der aber sei »für diese privaten Aufforderungen, die Moderation seiner Plattform zu verbessern, nicht empfänglich« gewesen. Auch wenn Haaretz die gezielte Kontaktaufnahme – polizeideutsch: »Gefährderansprache« – als »private Initiative« bezeichnet, ist an solchen Vorstößen in der Regel der Auslandsgeheimdienst Mossad direkt beteiligt.

Hauptsächlich ist Telegram Israel laut Haaretz dadurch lästig, dass dort in großem Stil illegal gewonnene Informationen, sogenannte Leaks, veröffentlicht wurden und werden. Seit dem 7. Oktober 2023 sei Israel einem »beispiellosen Ansturm von Cyberangriffen« ausgesetzt. Accounts von »Funktionären und Schlüsselfiguren des israelischen Sicherheitsestablishments«, Server von privaten Kontraktfirmen im Militär- und Sicherheitsbereich, von Stadtverwaltungen, Krankenhäusern und Regierungsministerien seien von »Hackern« gestört und in einer beträchtlichen Zahl von Fällen auch erfolgreich ausspioniert worden.

Viele der Akteure bezeichneten sich selbst als propalästinensische Kräfte. Das sei aber oft nur von »Irans halboffiziellen Cyber-Intelligence-Hackern« vorgeschoben, meint Haaretz zu wissen. Das volle Ausmaß der Schäden für Israels Sicherheit und die Wirtschaft, die durch solche Aktivitäten verursacht werden, sei selbst den Experten nicht bekannt. Trotz Investitionen in Abwehrmaßnahmen seien die Leaks »vermutlich die schwerwiegendsten in Israels Geschichte«, »eine beispiellose Plünderung von Gigabytes über Gigabytes an Informationen aller Art«.

Die nächste Stufe nach dem »Hacken« sei die Verbreitung der gewonnenen Informationen, erläutert ­Haaretz. Israel unternehme große Anstrengungen, um die Ausbreitung der Leaks so gering wie möglich zu halten. Das Land führe »einen digitalen Krieg an mehreren Fronten, um das scheinbar endlose Durchsickern von Informationen einzudämmen«. Kritiker seien aber der Meinung, dass die Effektivität dieser Politik, die auch »Maulkorberlasse und Zensur« beinhalte, nur von begrenztem Wert sei und eine Reihe von Risiken und ethischen Problemen enthalte. Außerdem habe sich daraus ein »Katz-und-Maus-Spiel mit den Hackern« entwickelt, die modernste Technologie einsetzten, um Webseiten zu entwickeln, die nicht so leicht aus dem Netz genommen werden können.

Gegen den naheliegenden Versuch, Druck auf die großen Social-Media-Betreiber anzuwenden, sei Telegram außerordentlich resistent, hieß es in Haaretz drei Tage vor der Verhaftung Durows. Das israelische Justizministerium habe bei Facebook 40.000 erfolgreiche Beschwerden wegen »illegaler Inhalte« unterbringen können. Sogar Tik Tok, das als vergleichsweise liberal moderiert gilt, habe mehr als 20.000 von Israel beanstandete Posts gelöscht. Bei Telegram jedoch liege diese Zahl gerade mal bei 1.300.

Die französischen Justizbehörden begründen ihren Haftbefehl gegen Durow damit, dass bei Telegram wegen der sehr laschen Moderation alle möglichen kriminellen Aktivitäten betrieben werden könnten. Die Mainstream­medien legen nahe, dass damit Drogenhandel, Kinderpornographie, betrügerische Geschäfte oder Förderung des Terrorismus gemeint seien. Dass es aber auch – und wahrscheinlich nicht zuletzt – um die Verbreitung unerwünschter Informationen geht, wie im Fall der geleakten Dokumente, bleibt durchweg unerwähnt.

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