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Aus: Ausgabe vom 27.08.2024, Seite 8 / Ausland
Nationalratswahlen in Österreich

»Krieg ist ein zentraler Aspekt dieses Wahlkampfs«

Nationalratswahlen in Österreich: Die Liste Gaza ist keine rein außenpolitische Plattform. Ein Gespräch mit Irina Vana
Interview: Dieter Reinisch, Wien
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Am 29. September wählt Österreich einen neuen Nationalrat. Als ich am 2. Juli bei der ersten Pressekonferenz der Liste Gaza (LG) mit einigen Beteiligten sprach, glaubte kaum jemand, die Wahlplattform könne außerhalb Wiens ausreichend Unterstützung finden. Nun steht die LG in sieben Bundesländern, also fast bundesweit, auf dem Stimmzettel. Eine Überraschung?

Wir haben unser erstes Ziel, auf den Genozid in Gaza aufmerksam zu machen, erreicht. Wir stehen auf dem Wahlzettel und können nun einen Schritt weitergehen. Die etablierten Parteien werden für ihre Komplizenschaft mit Israel und dem Völkermord politisches Kleingeld bezahlen.

Die LG tritt zu einer innenpolitischen Wahl mit einem außenpolitischen Thema an. Halten Sie es wirklich für notwendig, zu dem Thema eine eigene Liste aufzustellen?

Es ist kein rein außenpolitisches Thema. Wir wollen Druck auf die österreichische Regierung ausüben, sich der verfassungsrechtlichen Neutralität entsprechend zu positionieren. Wir sehen uns als eine Basis, um eine soziale und demokratische Alternative zu bilden. Die Palästina-Solidarität zeigt, wie stark oppositionelle Meinungen kriminalisiert werden, Meinungspolitik funktioniert und zu strafrechtlicher Verfolgung führt. Dazu zähle ich etwa die Untersagungen der Demonstrationen im Herbst 2023, das Verbot bestimmter Parolen oder die Diffamierung der Bewegung als antisemitisch. Auch die Etablierung von muslimischen Menschen als Feindbilder und ihre Gleichsetzung mit »Terroristen« wollen wir aufgreifen. Diese Themen sind keine außen-, sondern innenpolitische.

Wer steht hinter der LG?

Wir versammeln unterschiedliche Aktivisten aus der Palästina-Solidarität. Darunter sind Marxisten, aber auch Menschen, die sich vorwiegend als Muslime sehen. Was uns vereint, ist der gemeinsame Einsatz gegen koloniale Bestrebungen. Gaza ist ein Symbol für gerechten Frieden.

Eine »soziale und demokratische Basis« zu schaffen ist auch der Anspruch anderer linker Parteien, wie KPÖ und »Wandel«.

Krieg ist ein zentraler Aspekt dieses Wahlkampfs. Die österreichische Regierung wirkt teilweise wie ein Wegbereiter des dritten Weltkriegs, durch die Unterstützung Israels und den Beitritt zur EU-weiten Luftverteidigung »Sky Shield«. Das sind Themen, die von der LG viel zentraler aufgegriffen werden als von der KPÖ oder von »Wandel«, die sich dazu eher bedeckt halten.

Schauen wir uns die Antwort der KPÖ bei wahlkabine.at zu Palästina an: »Sicherheit für die israelische Bevölkerung bringt nur ein gerechter Frieden.« Der Völkermord wird völlig ausgeblendet, und der Fokus liegt auf dem Sicherheitsbedürfnis der israelischen Bevölkerung. Wenn man sich klar gegen Krieg und Kolonialismus stellt, wie wir es tun, dann steht das Lebensrecht der Palästinenser, das ihnen gerade abgesprochen wird, im Fokus. Daher ist die LG wichtig.

Die KPÖ hofft, nach Jahrzehnten wieder in den Nationalrat einzuziehen. Wie geht ihr mit dem Vorwurf, zu spalten, um?

Wenn die KPÖ den Einzug nicht schafft, ist ihre eigene Positionierung daran schuld und nicht wir. Die Linke ist seit Jahren damit konfrontiert, dass ein Spaltungsvorwurf vorgebracht wird, wenn ein spezifischer politischer Einsatz gezeigt wird. Das wesentliche Problem ist, dass die Linke schon lange versäumt, klare linke Positionen zu formulieren. Würden sich etablierte linke Parteien klar gegen den Völkermord stellen, würde es keine Notwendigkeit geben, sich pointiert dazu zu äußern, wie wir es machen.

Sie haben erklärt, ein Ziel der LG wurde bereits mit dem Antritt erreicht. Was ist das Ziel für die Wahlen am 29. September?

Ich bin schon jetzt zufrieden, aber es gibt unterschiedliche Erwartungshaltungen. Zunächst wollen wir im Wahlkampf unsere Themengebiete vorstellen.

Welche sind das?

Distanzierung von Völkermord, sofortiger Waffenstillstand, Verteidigung der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit, Rückeroberung des antifaschistischen Erbes durch die Linke, Frieden und Neutralität und das Eintreten gegen die Kriminalisierung muslimischer Menschen.

Irina Vana ist Spitzenkandidatin der Liste Gaza (LG) bei den Nationalratswahlen in Österreich

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Christa K. aus Litschau (26. August 2024 um 20:19 Uhr)
    Eine »Splittergruppe« mit einem immens wichtigen Programm – wo ich jeden Punkt voll und ganz unterstütze – geradezu ein Vorbild für die etablierten Linksparteien, um endlich klar und deutlich auszudrücken, wo wir in dieser grausamen Zeit zu stehen haben. Nicht nur in Palästina, sondern weltweit.

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