Ein Höllentempo
Von Holger RömersNachdem Primož Roglič (Red Bull – Bora – Hansgrohe) am Sonntag die Königsetappe der 79. Vuelta a España absolviert hatte, erwähnte er im TV-Interview Rückenschmerzen. Das war angesichts des Wirbelbruchs, den der 34jährige Slowene bei der diesjährigen Tour de France erlitten hatte, allemal glaubhaft. Und es mochte erklären, warum er Ben O’Connor (Decathlon AG2R La Mondiale Team) nicht die vier Sekunden Zeitbonifikation streitig gemacht hatte, als die Favoritengruppe in Granada hinter Tagessieger Adam Yates (UAE Team Emirates) und dessen Verfolger Richard Carapaz (EF Education – Easypost) um Platz drei sprintete. Fraglich war allerdings, inwieweit Verletzungsfolgen auch dazu beigetragen hatten, dass der dreifache Gewinner der Spanien-Rundfahrt am montäglichen Ruhetag fast vier Minuten hinter O’Connor auf Platz zwei der Gesamtwertung rangierte.
Am Dienstag hatte Roglič jedenfalls im Bergsprint aus einer siebenköpfigen Gruppe die erste Bergetappe gewonnen und das rote Trikot des Gesamtführenden erobert. Am folgenden Tag, an dem Pavel Bittner (Team DSM-Firmenich PostNL) im Massensprint siegte, war Roglič von etwaigen Problemen wiederum ebenso verschont geblieben wie auf den beiden vorangegangenen (relativen) Flachetappen, auf denen sich Kaden Groves (Alpecin-Deceuninck) beziehungsweise Wout van Aert (Team Visma – Lease a Bike) im Spurt durchsetzten.
Rätselhaft war jedoch, warum Red Bull am Donnerstag eine dreizehnköpfige Ausreißergruppe immer weiter davonziehen ließ, obwohl ihr der Vierte des diesjährigen Giro d’Italia angehörte, der den gleichen Platz auch bei der Tour de France 2021 belegt hatte. Zwar mochte Rogličs Mannschaft spekulieren, dass O’Connors Vorsprung schmelzen würde, nachdem der schon 62 Kilometer vorm Ziel die Spitzengruppe gesprengt hatte und nur vorübergehend von einem im Windschatten fahrenden Konkurrenten begleitet worden war. Doch auf staubigen andalusischen Straßen, die kaum je flach waren und kaum je geradeaus führten, baute der 28jährige Australier den Abstand sogar solo aus. Red Bull konnte indes kaum andere Teams zur Nachführarbeit nötigen, wobei Visma, die Mannschaft von Vorjahressieger Sepp Kuss, die Spitze des Pelotons sogar beharrlich mied.
Da O’Connor mit seinem imponierenden Tagessieg aus zwei Minuten Rückstand einen fast fünfminütigen Vorsprung in der Gesamtwertung machte, war es für Red Bull gewiss kein Trost, dass der einzige Mannschaftsvertreter unter den Ausreißern als Tagesdritter die Führung in der Wertung der Jungprofis übernahm. Als er im entscheidenden Moment O’Connor aus den Augen ließ, hatte Florian Lipowitz jedenfalls seine taktische Aufgabe verfehlt. Hinzu kam, dass der 23jährige Deutsche am nächsten Tag den Anschluss und das weiße Trikot verlor (das er freilich als Gesamtsechster inzwischen wieder trägt), als seine Kollegen 32 Kilometer vorm Ziel ein Höllentempo anschlugen. So konnte Roglič zwar am einzigen kategorisierten Berg der Etappe die ausnahmsweise vergebenen vier Sekunden Zeitbonifikation einstreichen. Während die wenigen anwesenden Sprintspezialisten ebenfalls abgehängt wurden, gerieten Klassementfahrer wie O’Connor jedoch nie in Schwierigkeiten. Um so kurioser, dass Red Bull die Tempoarbeit fortsetzte – und dem prominentesten Unterstützer eines Konkurrenten den Sprint vorbereitete: Mit seinem zweiten Sieg konnte van Aert zugleich seine Führung in der Punktewertung ausbauen.
Am Sonnabend bezwang Roglič dann am fiesen Schlussanstieg nicht nur Enric Mas (Movistar Team) im siegentscheidenden Zweiersprint, sondern distanzierte auch O’Connor um eine Dreiviertelminute. Dabei zeigte sich, dass für den Gesamtführenden die aktuelle Aufgabe so ungewohnt ist wie für seine Mannschaft, denn er ließ sich unnötigerweise von der Konkurrenz das Tempo diktieren – bevor ihm ausgerechnet sein wichtigster Helfer, der nun auf Gesamtplatz acht liegende Österreicher Felix Gall, auf den letzten Metern davonfuhr.
Diese Situation lädt wohl zu weiteren Husarenstücken wie denen von Yates und Carapaz ein: Der 32jährige Brite hatte am Sonntag eine große Ausreißergruppe infiltriert und sich dann mit einer knapp 60 Kilometer langen Solofahrt auf Platz sieben im Gesamtklassement (sowie ins Bergtrikot) katapultiert. Der ein Jahr jüngere Ecuadorianer war wiederum knapp 90 Kilometer vorm Ziel aus dem Peloton ausgebüxt und verbesserte sich, obwohl seine Taktik an Wahnsinn grenzte, auf Gesamtplatz drei, vor Mas. Die infektionsbedingte Rennaufgabe des vorübergehenden Zweitplazierten João Almeida (UAE Team Emirates) führte indes vor Augen, dass auch immer noch mit Covid zu rechnen ist.
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