Exklusive Detonationen
Von Barbara EderVon 1993 bis 1996 erhielten in Österreich 25 Personen und Organisationen explosive Post. In den Bundesländern Kärnten und Burgenland detonierten drei Rohrbomben; beim Anschlag von Oberwart im Februar 1995 wurden vier Roma-Angehörige ermordet. Josef Simon, Karl Horvath, Erwin Horvath und Peter Sarközi starben, während sie eine Tafel mit der Inschrift »Roma zurück nach Indien!« entfernen wollten, die illegitimerweise auf ihrem Grundstück aufgestellt worden war. Johanna Dohnal, Helmut Zilk, Madeleine Petrovic und Terezija Stoisits zählten zu den Politikern, die Briefbomben erhielten; nicht in allen Fällen konnten diese im Vorfeld abgefangen werden.
Diese rassistisch motivierten Bombenanschläge stehen im Mittelpunkt der von Gamze Ongan, Cornelia Kogoj und Vida Bakondy kuratierten Ausstellung »›Man will uns ans Leben‹ – Bomben gegen Minderheiten 1993–1996«. Bis zum vergangenen Sonntag war die Schau im Wiener Volkskundemuseum zu sehen; im Herbst wird sie im Klagenfurter Kärnten-Museum gezeigt.
Der in den 90er Jahren in Österreich verübte rechte Terror richtete sich vor allem gegen Angehörige der slowenisch-kärntnerischen Minderheit sowie gegen Sintizze und Romnja. Sie waren es, denen man im Zuge der Anschlagsserien gezielt ans Leben wollte. Die Bekennerschreiben waren mit »Bajuwarische Befreiungsarmee (BBA)« gezeichnet, dahinter stand allerdings ein Einzeltäter. Der Vermessungstechniker Franz Fuchs blieb auch infolge von gravierenden Ermittlungspannen lange Zeit unentdeckt. Als dieser bei einer Verkehrskontrolle im südsteirischen Gralla angehalten wurde, zündete er einen Sprengkörper, der ihm beide Hände abriss; in seiner Zelle beging er später Selbstmord.
Den musealen Arrangements liegt die Annahme zugrunde, dass selbst Einzeltäter nicht im luftleeren Raum handeln. Die Attentate waren demnach auch das Ergebnis einer politischen Entwicklung, die rechte Ideologien im Österreich der 2. Republik wieder salonfähig machte. Sie begann in den späten 1980er Jahren, angeheizt durch die Wahl Kurt Waldheims zum Bundespräsidenten und den unaufhaltsam erscheinenden Aufstieg der »F-Bewegung«. Letzterer kulminierte in Jörg Haiders Lob der »ordentlichen Beschäftigungspolitik« im Dritten Reich und der Regierungsbeteiligung der FPÖ während der Ära Schwarz-Blau. Seither hat sich das feindselige Klima gegenüber Minderheiten im Land verschärft, ihr Sicherheitsgefühl ist infolge der Attentate bis heute stark eingeschränkt.
In einem Land, das sich als erstes Opfer des deutschen Faschismus sah, findet die Konfrontation mit aktiver Nazitäterschaft nur zögerlich statt. Vieles in der Ausstellung erinnere an die Gegenwart, doch es gebe auch Unterschiede im Vergleich zur Situation Mitte der 90er, so die Kuratorinnen: »Wurde damals noch im Zusammenhang mit der Verharmlosung der NS-Zeit und dem Antiausländervolksbegehren von politischen Tabubrüchen durch Jörg Haider gesprochen, sind diese Tabus heute schon längst weggefallen, inklusive Tabu Antisemitismus. Damals gab es ein klareres Bekenntnis gegen rechts, auch von konservativer Seite. Heute sind rechtsextreme Diskurse Normalität.« Besonders verstörend wirkt ihre Ausstellung dort, wo sie aufzeigen kann, dass der Vierfachmord an den Sintizze und Romnja zunächst einer »Clanfehde« zugeschrieben wurde. Die Ausstellung verweist auf die latente sowie offene Unterstützung der rassistischen Taten durch Teile der österreichischen Bevölkerung und belegt dies anhand von medialen und politischen Reaktionen.
Die dritte und eindrücklichste Station der Ausstellung beschäftigt sich mit den Nachwirkungen der Terrorakte. Dahin gehend reicht der Bogen von stillschweigender Toleranz bis hin zu offenem zivilgesellschaftlichem Protest. Letzterer manifestierte sich vor allem im »Lichtermeer« von 1993 – einer der größten Demonstrationen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der österreichischen Geschichte. Diese war auch eine Reaktion auf das unter dem Slogan »Österreich zuerst« lancierte Antiausländervolksbegehren der FPÖ. Die Ausstellung zeigt eindrucksvoll, wie der Affront gegenüber dem Terror seither nachgelassen hat und sich die politische Rechte zunehmend wieder als »Opfer« des »Meinungsterrors« inszenieren kann.
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