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Aus: Ausgabe vom 29.08.2024, Seite 5 / Inland
Mobilfunknetzanbieter

5G-Auktion rechtswidrig

Gericht hebt Vergabeentscheidung der Bundesnetzagentur auf. Verdacht gegen Exminister Scheuer
Von Oliver Rast
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Einige sammeln Briefmarken, weitere Käfer; er hier, Andreas Scheuer, sammelt: Skandale

Er ist einer, der kassiert: Ohrfeigen, Klatschen. Der dauerhaargegelte Exbundesverkehrsminister Andreas Scheuer, ein christsoziales Musterexemplar für Skandälchen und Skandale. Und nun die nächste Affäre des Passauers.

Das Verwaltungsgericht Köln habe Regeln für die milliardenschwere Auktion von Mobilfunkfrequenzen aus dem Jahr 2019 für rechtswidrig erklärt, berichtete die Süddeutsche Zeitung (SZ) am Mittwoch. Genaugenommen die Entscheidung der sogenannten Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur vom 26. November 2018 »über die Vergabe- und Auktionsregeln für die im Jahr 2019 durchgeführte Versteigerung der für den 5G-Mobilfunk besonders geeigneten Frequenzen in den Bereichen zwei Gigahertz und 3,6 Gigahertz«, wie das Gericht am Dienstag mitteilte.

Der Grund: Die Verwaltungsrichter sehen eine »massive Einflussnahme« durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) unter dem damaligen Ressortchef Scheuer auf die Bundesnetzagentur als erwiesen an. »Das Gericht ist überzeugt, dass die Präsidentenkammer dem massiven Druck von seiten des BMVI zumindest teilweise nachgegeben hat.« Das BMVI versuchte demnach während des Vergabeverfahrens in erheblicher Weise, Entscheidungen der Bundesnetzagentur zu beeinflussen. Übrigens einer Behörde, die unabhängig von politisch Verantwortlichen handeln soll.

Zum Fall selbst: Geklagt hatten die vergleichsweise kleinen Kommunikationsanbieter EWE Tel und Freenet. Wegen Wettbewerbsverzerrung, weil durch den »Scheuer-Deal« günstigere Tarife für Verbraucher be- bzw. verhindert worden seien. Denn den Zuschlag hatten Telekom, Vodafone, O2/Telefónica und 1&1 bekommen. Für knapp 6,6 Milliarden Euro.

Im Kern lautet der Vorwurf: Scheuer soll vor allem die drei großen Mobilfunkanbieter bevorzugt haben, so ein Bericht vom Dienstag auf ZDF heute. Telekom, Vodafone und O2/Telefónica hatten bereits eigene Netze aufgebaut, 1&1 zieht nach, baut sein Netz gerade aus. Mehr noch, die Big Three hätten sich den mobilen Funkmarkt quasi untereinander aufgeteilt, kritisieren lauten ZDF heute »Marktbeobachter«.

Kleine Firmen mieten die Netze der großen wegen fehlender eigener. Da sie nicht in Infrastruktur investierten, seien ihre Angebote meist günstiger als die der Bigplayer, schreibt die SZ. Die Bundesnetzagentur hatte Netzbetreiber im Jahr 2000 dazu verpflichtet, EWE Tel, Freenet und Co. Netzkapazitäten zur Verfügung zu stellen, mittels »Dienstanbieterverpflichtung«. Doch die ist mit der 5G-Auktion von 2019 hinfällig geworden. Seitdem gibt es nur ein »Verhandlungsgebot«. Die Großen im Business »verhandeln« mit Klein- und Kleinstkonkurrenten, was ergebnislos enden kann, sprich: ohne Zugang zum Netz.

Das Gericht bemängelt ferner: Die Bundesnetzagentur habe ihre Unabhängigkeit »nicht ausreichend aktiv geschützt«, indem sie »die ministeriellen Einflussnahmeversuche weder auf Ebene der Ministertreffen noch auf Facharbeitsebene unterbunden hat«.

Bloß, was bedeutet die Gerichtsentscheidung? Zunächst, dass die frühere Präsidentenkammerentscheidung aufgehoben ist. Und die Behörde verpflichtet ist, »die Anträge der Klägerinnen auf Aufnahme einer Dienstanbieterverpflichtung neu zu bescheiden«. Geht das rasch? Wohl nicht. Dennoch, das Urteil ist für EWE Tel und Freenet ein Sieg. »Zwar kann die Aufhebung der 5G-Vergabeentscheidung die für den Wettbewerb verlorenen Jahre nicht rückgängig machen«, wurde ein Freenet-Sprecher in der SZ zitiert. Man poche nun aber auf eine »Entscheidung im Verbraucherinteresse« und setze darauf, dass die Bundesnetzagentur »das spätestens seit heute verbrannte Verhandlungsgebot wieder durch wirksame Wettbewerbsregulierung ersetzt«.

Scheuer, den mutmaßlichen Einfädler des Deals, dürfte das kaum jucken. Nehmerqualitäten hat er ja, kann einstecken, auch kräftig.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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