Endspiel gegen Tuareg
Von Jörg TiedjenDie Eröffnung des frisch renovierten Sportstadions in der Stadt Kaye am Montag kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich Mali gegenwärtig in einer schweren Krise befindet. Zwar verfügt das fußballverliebte westafrikanische Land nun über eine vierte Spielstätte, die zur Austragung von Veranstaltungen wie dem Afrika-Cup geeignet ist, wie der Kurznachrichtendienst AES Info am selben Tag hervorhob. Doch erst am Freitag hatte Bamako den Notstand ausgerufen, nachdem sintflutartige Regenfälle weite Landstriche der Sahelregion überschwemmt hatten, wobei es allein in Mali 30 Todesopfer gab.
Am Sonntag setzten dann die malischen Streitkräfte ihre Offensive im Norden des Landes fort, der sich immer noch nicht vollständig unter Kontrolle Bamakos befindet. Dort hatten Aufständische des von der Bevölkerungsgruppe der Tuareg dominierten »Ständigen Strategischen Rahmens« (CSP) Ende Juli der Armee und mit dieser verbündeten Einheiten des russischen »Afrikakorps« bei der Ortschaft Tinzawatèn eine empfindliche Niederlage bereitet. Nach Angaben der malischen Regierung sollen dem CSP auch Dschihadisten der Gruppe Ansar Dine zur Seite stehen.
Die Meldungen über den Einsatz in Tinzawatèn, das unmittelbar an der Grenze zu Algerien liegt, sind widersprüchlich. Laut Mitteilung von AES Info vom Montag sollen dabei der Ansar-Dine-Kommandant Muslim Abu Hamsa und fünf weitere Kämpfer der Gruppe getötet worden sein. Der CSP sprach allerdings in einem von der algerischen Tageszeitung El Watan am Dienstag zitierten Kommuniqué davon, dass die Angreifer »zunächst auf eine Apotheke« gezielt hätten, dann auf »weitere Menschenansammlungen«. Dabei seien 21 Zivilisten getötet worden, »darunter elf Kinder und der Leiter der Apotheke«. Von den Islamisten ist in der Stellungnahme keine Rede.
Zu den Kämpfen mit dem CSP und anderen bewaffneten Gruppen, die sich nicht allein auf den Norden Malis beschränken, kommt eine wahre Propagandaschlacht. Denn nach dem Desaster von Ende Juli hatte der ukrainische Geheimdienst GUR bekanntgegeben, dass er den Tuareg geholfen habe, um dem »Afrikakorps« zu schaden, dessen Vorläufer »Gruppe Wagner« für Kriegsverbrechen in der Ukraine verantwortlich sei. Darauf brachen Mali und auch Niger die diplomatischen Beziehungen zu dem osteuropäischen Land ab. Dessen Unterstützung soll sich nicht auf die Lieferung militärischer Informationen beschränkt haben. Vielmehr schule die Ukraine Tuareg-Kämpfer etwa in der Benutzung von Kamikazedrohnen. Am Dienstag präzisierte der russische Auslandssender RT, dass solche Trainings von der ukrainischen Botschaft in Côte d’Ivoire organisiert würden.
Aber möglicherweise übertreibt die Ukraine ihre Rolle in Mali. Mitte des Monats hatte die antikoloniale kamerunisch-schweizerische Aktivistin Nathalie Yamb in einem von AES Info verbreiteten Video behauptet, dass der CSP vielmehr von »Algerien, Frankreich und den USA« unterstützt werde. Algerien habe es den Tuareg auch ermöglicht, sich vor Malis Armee über die Grenze zurückzuziehen. Über soziale Netzwerke wird zudem verbreitet, dass es dem Nachbarland um Profite aus dem bei Tinzawatèn mit einfachsten Mitteln betriebenen Bergbau gehe. Sogar die Möglichkeit eines Krieges zwischen Mali und Algerien wird an die Wand gemalt. Doch es ist fraglich, ob Algier im Norden Malis Separatisten unterstützt. Schließlich gibt es auch im eigenen Land Tuareg, die Unabhängigkeit verlangen könnten, um nur einen Grund des Zweifels zu nennen.
Die Distanz der westlichen Länder zu den Militärregierungen im Sahel wurde am Montag nochmals deutlich, als Dänemark mitteilte, dass es seine diplomatischen Vertretungen in Bamako und Ouagadougou schließt. Tatsache ist, dass Mali, Burkina Faso und Niger, die sich jüngst zu einer »Sahelallianz« (AES) zusammengeschlossen und vom Westen abgewandt haben, unter starkem politischen Druck stehen. Paris und Washington dürften nichts unversucht lassen, die drei Länder zu destabilisieren, um das Rad wieder zurückzudrehen. Der Konflikt im Norden Malis bietet dafür einen hervorragenden Ansatzpunkt, zumal die Tuareg seit jeher bevorzugte Verbündete insbesondere Frankreichs sind.
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