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Aus: Ausgabe vom 29.08.2024, Seite 10 / Feuilleton
Ballett

Unverdienter Lorbeer

Sasha Waltz und das Staatsballett Berlin verbindet neuerdings wieder was
Von Gisela Sonnenburg
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Seit 1996 darf man Choreographie mit f schreiben. Das ist an der Kunstform nicht spurlos vorbeigegangen

Es steht wohl nicht gut ums Ballett in Deutschland. Denn ausgerechnet das in den Augen vieler Ballettliebenden in Qualität und Leistung kontinuierlich abrutschende Staatsballett Berlin (SBB) erhielt von einem kommerziell ausgerichteten Fachblatt eine Auszeichnung: als »Kompanie des Jahres«. Teilen muss es sich den Titel mit dem Stuttgarter Ballett. Verschiedener allerdings könnte der Werdegang zweier Ensembles nicht sein. In Berlin pendelt man sich seit einem Jahr auf den nahezu provinziellen, nur in der Ausstattung zumeist aufgeblähten Stil von Ballettchef Christian Spuck ein. In Stuttgart hingegen probiert man auf hohem Niveau neue Wege aus, wahrt aber zugleich die Künste des Hauschoreographen John Cranko als Goldstandard.

»Kompanie« heißt es in der Ehrung. Dieses Synonym für ein Ballettensemble ist in Deutschland noch nicht allzu lange in Gebrauch. Ursprünglich schreibt es sich »Compagnie«, was aus dem Französischen kommt, wie die Ballettfachsprache überhaupt. »Compagnie« bedeutet vor allem »Unternehmen«, im Englischen folgerichtig »Company«. Die deutsche Vokabel »Kompanie« hingegen klingt eher rheinmetallisch, man denkt unweigerlich ans Militär.

Seit die Ampel-Regierung Deutschland »kriegstüchtig« macht, ist wohl jede Gelegenheit willkommen, militäraffines Denken zu suggerieren. So nennt das Staatsballett Berlin die Gesamtheit seiner Tänzer auch »Kompanie«. Nicht mehr »Compagnie«. Beim französischen Wort denkt man ja eher an Champagner und Firmenfeste. Beim preußischen »Kompanie« aber hört man deutlich trampelnde Soldatenstiefel im Innenohr. Ein Mangel an Anmut ist da zu verzeichnen.

Ein weiteres Tanzprodukt aktueller Kulturpolitik ist die Erfolgschoreographin Sasha Waltz. Sie brachte ihre Höhepunkte im Schaffen schon früh hinter sich. 2020 gab sie ihren gerade erst angetretenen Job als Intendantin vom SBB auf, weil sie – für geduldige Beobachter nicht überraschend – mit den klassisch ausgebildeten Tänzern nicht zurechtkam. Seither hat man kaum eine Großtat mehr von ihr gesehen.

Mangels anderer geeigneter Kandidaten ergattert sie jedoch in diesem Jahr den Deutschen Tanzpreis, auf dessen Shortlist sie aufgrund ihrer guten Beziehungen bereits seit zwanzig Jahren stehen dürfte. Am 12. Oktober ist es dann endlich so weit: Der Dachverband Tanz Deutschland richtet eine Tanzgala in Essen aus, bei der Waltz die begehrte Ehrung in Empfang nehmen darf.

So vereint das Schicksal unter der Ägide von Terpsichore erneut zwei ehemalige Zwangsverheiratete: Endlich haben die Sasha und das SBB mal wieder was gemein, unverdienten Lorbeer nämlich.

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