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Aus: Ausgabe vom 29.08.2024, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft
Nordsee-Zeitung

Zusteller kämpfen weiter

Der Widerstand gegen Tarifflucht bei der Nordsee-Zeitung in Bremerhaven ist von bundesweiter Bedeutung
Von Susanne Knütter
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Sie halten Stand: Zusteller der Nordsee-Zeitung am Montag vor dem Verlagshaus in Bremerhaven

War es ein Versehen oder eine Solidaritätsbekundung? Am Montag kündigte die Nordsee-Zeitung eine Protestkundgebung von Verdi, der Partei Die Linke und der Arbeitsgemeinschaft für Arbeit in der SPD (AFA) gegen sich selbst an. Vor dem Verlagshaus der Nordsee-Zeitung wollen sie, hieß es in der Meldung, »mit und im Interesse von Zeitungszustellern für bessere Arbeitsbedingungen protestieren. Hintergrund ist, dass die Zustellogistik der Nordsee-Zeitung die Zustellbezirke optimiert und neu strukturiert. Laut Verdi drohen dadurch Entlassungen und eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für die verbleibenden Zustellerinnen und Zusteller.«

Medienhäuser und Verlage haben, wenn es um Rationalisierungen, Entlassungen oder Tarifflucht im eigenen Laden geht, einen entscheidenden Vorteil. Nichts oder nur wenig gelangt nach außen. Dort wo sie die Zeitungslandschaft dominieren, bestimmen sie, worüber berichtet wird und worüber nicht. Das konnte im Fall der Schließung der Dumont-Druckerei in Köln studiert werden und gegenwärtig bei dem Kampf der Beschäftigten des ebenfalls zur Dumont-Gruppe gehörenden Bundesanzeigers für einen Tarifvertrag. Zeitungen in NRW lassen davon die Finger.

In Bremerhaven hat die Nordsee-Zeitung das Monopol. Einen unsicheren Faktor gibt es allerdings für Unternehmen stets: die eigene Belegschaft. Jan Schulze-Husmann, bei Verdi zuständig für Zusteller bundesweit, hält es nicht für ausgeschlossen, dass es sich bei der Meldung um eine Solidaritätsadresse gehandelt hat. Die Zusteller erfahren durchaus Unterstützung aus dem Verlag, sagte der Gewerkschafter im Gespräch mit jW am Dienstag. Zu der Protestkundgebung sei sogar ein Fotograf der Zeitung geschickt worden. Einen Bericht in der Nordsee-Zeitung gab es bis zuletzt aber noch nicht.

Worum geht es? Die Nordsee-Zeitung ist eine der wenigen Zeitungen mit Tarifvertrag für die Zeitungszusteller. Laut Verdi wird der aber von der Geschäftsführung seit längerem »systematisch ausgehöhlt, indem die Tätigkeiten in eine neu gegründete Zustellgesellschaft ausgelagert werden«. Den Beschäftigten wird seit mindestens anderthalb Jahren ein Wechsel in die neue Firma nahegelegt, was eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen bedeutet. Und nun sollen auch noch Zusteller entlassen werden. Eine Katastrophe für die Betroffenen in einer Stadt, in der die Arbeitslosigkeit zuletzt bei mehr als 14 Prozent lag. Für die verbleibenden Kollegen und Kolleginnen bedeutet der Schritt eine Arbeitsverdichtung. Insgesamt sollen Verdi zufolge größere Zustellbezirke von weniger Personal abgedeckt werden. In welcher Zeit wie viele Zeitungen zugestellt werden sollen, lässt sich das Unternehmen von Geoinformationssystemen (GPS) errechnen. Herauskommen unrealistische Zeitvorgaben, die laut Verdi und dem Zustellerbetriebsrat nicht zu schaffen sind.

Hintergrund sind seit Jahren sinkende Abonnenten- und Verkaufszahlen in der Zeitungsbranche, sinkende Werbeeinnahmen und weniger Beilagen in den Tageszeitungen. Dennoch, Zeitungen wird es weiterhin geben, ist der Gewerkschafter überzeugt. Und für die, die sie zustellen, müssen erkämpfte Arbeitsbedingungen verteidigt werden. Deshalb habe der Kampf der Bremerhavener Kollegen bundesweite Bedeutung. Dass sich an der Kundgebung vor dem Verlagshaus am Montag von etwas mehr als 200 Kollegen (nur) 45 beteiligten, habe auch mit der Vereinzelung im Zustellerberuf zu tun, so Schulze-Husmann. Umso höher sei deren Engagement zu bewerten.

In den Sozialplanverhandlungen, die der Betriebsrat mit dem Unternehmen nun aushandelt, geht es neben Abfindungen auch um die richtige Arbeitszeitbemessung, so Schulze-Husmann. Bezahlt werden müsse die Ist- und nicht die Sollarbeitszeit. Insgesamt verliefen die Verhandlungen aber schwierig, weil das Unternehmen »null Transparenz« walten lasse und versuche arbeitsrechtliche Fragen mit den betroffenen Beschäftigten individuell abzuwickeln, erläutert Schulze-Husmann. Hier, wie auch schon im Fall der Dumont-Druckerei, würden die Grenzen des Betriebsverfassungsgesetzes sehr deutlich. Informationspflichten und Mitbestimmungsrechte würden von den Geschäftsführungen ignoriert, Sanktionen für die Unternehmen folgten nicht. Nach dem Aus der Dumont-Druckerei hat Verdi tatsächlich geklagt. Das war Anfang des Jahres. »Verdi macht sich da nichts vor«, so Schulze-Husmann.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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