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Aus: Ausgabe vom 30.08.2024, Seite 8 / Ansichten

Sinnestäuscher des Tages: Correctiv

Von Arnold Schölzel
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Endlich Halluzinationspfeffer im Wahlkampf. Die wegen ihrer »Recherche« zur »Remigration« berühmte gemeinnützige GmbH Correctiv aus Essen – von »Remigration« träumen Deutschnationale und Faschisten seit 100 Jahren – betitelte am Dienstag das BSW als »Bündnis Sahra Datenleck«: Schon im März war es undicht, aber Correctiv ist »jetzt erneut« auf so etwas »aufmerksam gemacht« worden: »Etwa 70.000 personenbezogene Daten weisen auf Mitgliederlisten, Unterstützer und Newsletterabonnenten hin.« Alles habe »offenbar bis vor kurzem ungeschützt im Netz« gelegen.

In Thüringen fiel trotz solchen Verbrechens keine Bratwurst vom Rost, am Mittwoch legten die in Milliardärsstiftungs- und Staatsgeld eingebetteten Gemeinnützler nach. Diesmal aufmerksam gemacht worden auf: »Wie viel Stasi steckt im BSW?« Die Knüllerantwort: Unter den 840 Mitgliedern finden sich fünf, »die in Stasi-Strukturen tätig waren«. Strukturen sind nämlich immer und überall – außer bevor Gott die Welt erschuf. Politikforscher urteilten laut Correctiv: »Bei jenen, die sich zu DDR-Zeiten bewusst für diesen Weg entschieden, sei es wahrscheinlich, dass sie die ideologische Nähe zu Russland noch heute in sich tragen.« Russland ist für die Essener kein Staat, sondern ein Mann: Das BSW positioniere sich »deutlich für die Politik Wladimir Putins« – ein »Stasi«-, also »Putinisten«-Verein.

So streift einen der Hamster und pfeift ein Bus: Drei der fünf leisteten ihren Wehrdienst bei einer »Stasi«-Wacheinheit ab, zwei waren Hauptamtliche. Alle haben laut BSW in den vergangenen 34 Jahren mehrfach Überprüfungen durchlaufen. Na und? »Stasi-und-Putin« ist in Essen keine Frage von Zeit und Raum, sondern oberster Staatsaberglaube. Correctiv hat, geleitet von ihm, vorab schon mal das Wahlergebnis vom Sonntag erklärt. Und Hitler wohnt am Südpol.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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  • Leserbrief von Martin Mair aus Söchau (1. September 2024 um 12:14 Uhr)
    Offenbar hat Correctiv die vollständige Liste der Parteimitglieder erhalten und auch noch weiter verarbeitet. Das ist nicht nur ein schwerer Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz bzw. die EU Datenschutzgrundverordnung wegen der Verarbeitung sensibler personenbezogener Daten (über politische Orientierung), sondern auch noch ein Angriff auf Demokratie und Menschenrechte. Niemand hat das Recht, von einer Partei alle Mitglieder einer Überprüfung zu unterziehen bzw. die Daten über alle Mitglieder zu verarbeiten. Das ist auch als Verstoß gegen die Vereinigungsfreiheit nach Artikel 11 EMRK bzw. Artikel 9 GG. Wenn alle Mitglieder einer Partei einer Gesinnungskontrolle unterzogen werden, egal ob durch Private oder ein Amt, dann schreckt das die Menschen davon ab, die Vereinigungsfreiheit in Anspruch zu nehmen. Nach Rechtsprechung des EGMR ist daher die Gesinnungsschnüffelei gegen alle Mitglieder vom BSW als Verletzung von Artikel 11 EMRK zu werten. Und wohl auch als Verletzung des UN-Paktes über die bürgerlichen und politischen Rechte. Mensch darf bestenfalls nur öffentlich auftretende Mitglieder eine Partei oder sonstigen Organisation einer derartigen Überprüfung unterziehen. Mensch könnte die politische Überprüfung der BSW-Mitglieder durch Correctiv auch als Amtsanmaßung auffassen, denn Correctiv übernimmt womöglich de facto Aufgaben des Verfassungsschutzes, ohne irgend einer Kontrolle zu unterliegen. Müsste daher eigentlich nicht Correctiv als verfassungsfeindliche Organisation aufgelöst werden? Ich hoffe, dieses bisher eher herumdilettierende BSW ist in der Lage sich gegen diese massiven Übergriffe durch Correctiv zu wehren.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Maximilian B. aus Berlin (31. August 2024 um 16:00 Uhr)
    Ich finde nicht alles gut, was Correctiv ausmacht. Doch Sinnestäuscherei muss sich durchaus das BSW selbst vorwerfen lassen. Vermeintlich sichere personenbezogene Daten lagen lange Zeit ungeschützt im Netz. Wenn das entlarvt wird, und nach Monaten trotzdem nicht behoben wird, ist das kein Fehler von irgendwem, sondern ein vom BSW selbst verursachter Missstand. Die Schuld implizit von sich zu weisen, indem von einem »Hackerangriff« gesprochen wird, wie es das BSW tut, ist daher zumindest nach gegenwärtiger Kenntnislage deplatziert. Es ist immer schäbig (und das tut die CDU z. B. nur allzu gern), Engagierte allein für das Hinweisen auf Sicherheitslücken bestrafen zu wollen, solange sie erbeutete Daten nicht veröffentlichen oder zweckentfremden. Verurteilt man allein das schon, wird künftig nämlich eben nichts mehr gemeldet, und die Lücken bestehen weiter fort und können möglicherweise dauerhaft geheim ausgenutzt werden. Ich glaube nicht, dass dies im Interesse des BSW wäre. Freilich, sicherlich sind die Correctiv-Leute keine BSW-Freunde, das äußert sich im Timing der Aktionen, bei dem man sich schon fragen muss, wem es nützen soll. Zumal Correctiv die erbeuteten Daten offenbar durchaus für eigene Zwecke missbraucht (Personen gezielt anschreiben etc.), was nicht nur gegen die DSGVO, sondern auch gegen die Hacker-Ethik verstößt. Generell: Personenbezogene Daten für Newsletter sind oftmals unzureichend geschützt, da kann an dieser Stelle nur ein allgemeiner Warnhinweis ausgesprochen werden, intern für ausreichende IT-Sicherheit zu sorgen!
  • Leserbrief von B.S. aus Ammerland (30. August 2024 um 11:24 Uhr)
    Correctiv, das Satiremagazin wider Willen, sollte einmal bei seinen »Auftraggebern« nachforschen, wie viele ehemalige NS-Vergangenheiten und Mitgliedschaften bei Neonazi- und faschistischen Gruppen vorherrschen. Auch die Altparteien sind kaum zu unterscheiden, lediglich der »Anschein eine Demokratische Partei« zu sein, reicht eben nicht mehr aus. Aber es wird schnell klar, wessen »Geistes Kind« Correctiv ist und das sollte der Gesellschaft wirklich zu denken geben!
  • Leserbrief von Eckart Sackmann aus Leipzig (30. August 2024 um 08:24 Uhr)
    Nett angedacht; es lohnt sich vermutlich, »Correctiv« mal näher unter die Lupe zu nehmen. Für mich ist das so was wie ein Propagandainstrument, das zur Demontage von ungeliebten Institutionen eingesetzt wird. Da werden Infiltrationen inszeniert (Potsdam), da werden geklaute Daten privat genutzt und die Quellen unter Verschluss gehalten (BSW). Da werden Vermutungen in die Welt gesetzt, aber nicht bewiesen. Zum Glück haben wir eine taffe Innenministerin: Die wird sicher bald aufklären, welche Regierungsstelle hinter »Correktiv« steht, und dann wird der ganze Zauber verboten oder abgeschoben :-)
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Wolfgang K. (30. August 2024 um 06:23 Uhr)
    Vielleicht ist ja auch Correctiv sowas wie Stasi?
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Andreas E. aus Schönefeld (29. August 2024 um 20:48 Uhr)
    Tja, Irren ist menschlich … In meinem Leserbrief vom 08.08.2024 hatte ich gehofft, dass die »Stasikeule« im Orkus der Geschichte verschwunden ist. Aber nun sind es nicht die Ex-DDR-Bürgerbewegten, sondern das »Faktencheck«-Portal Correctiv, die die alte, verrostete und kaum noch zu gebrauchende Flinte »Stasi« aus der Schrottkiste holen. Nur warum? Hat man in Essen keine wirklichen politischen Argumente gegen das BSW? Gut, da ist noch das »Datenleck«. Aber wirkliche Argumentationen gegen BSW-Positionen findet man nicht. Hier geht die Angst um – die Angst vor einer neuen politischen Kraft, die sich anschickt, das Land zu verändern. Und das will diese gGmbH tunlichst verhindern, weil es sein könnte, dass diesen Verkündigungskräften des (noch) politischen Mainstreams die Grenzen gezeigt werden. Das kann nur der Souverän – das Volk. Und das Volk ist gerade im Osten ziemlich auf Krawall gebürstet, das zeigen die Vorhersagen für die AfD (leider) und für das BSW. Und wie schon Herr Blackrock-Merz von der CDU im März diesen Jahres deutlich sagte: »Man muss im Osten mehr erklären (…), und ich fahre da gerne hin.« Da nimmt ihm Correctiv etwas Arbeit ab, indem einfach erklärt wird: BSW=Putin=DDR=Stasi. Und schon soll dem Ossi der kalte Schauer über den Rücken laufen, weil angeblich fünf von 840 Mitgliedern bei »Horch und Guck« waren. Doch wie viele BND/BfV/MAD/BKA-Mitarbeiter tummeln sich bei den westdeutschen Altparteien? Ach ja, diese Geheimdienste sind ja demokratisch kontrolliert. Dass ich nicht lache … Und wenn die westdeutschen Politiker denken, sie haben den Ossi verstanden, sollten sie eines als Erstes wahrnehmen – wir hier ziehen uns die Hosen nicht mit der Kneifzange an. Das haben wir spätestens nach 35 Jahren »Deutsche Einheit« begriffen.

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