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Aus: Ausgabe vom 31.08.2024, Seite 1 / Titel
Antikriegstag

Den Frieden wählen

Es ist höchste Zeit, gegen den Krieg aufzustehen. Nicht nur am Wahltag
Von Arnold Schölzel
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Denkmal von Fritz Cremer in der Gedenkstätte Buchenwald

In der jW-Ausgabe vom 4. Mai verglich die Moskauer Psychologin Jelena Serpionowa zwei »Wegweiser« durch die Gedenkstätte Buchenwald. Einen aus dem Jahr 1967, einen von 2018. Das ältere Buch, schrieb sie, enthalte historische Quellen wie zum Beispiel den Kommissarbefehl – die Anweisung der Naziführung, Politkommissare der Roten Armee nicht als Kriegsgefangene zu behandeln, sondern auf der Stelle zu erschießen. Der neue Wegweiser verzichte darauf: »Dabei wurden im KZ Buchenwald mehr als 8.000 sowjetische Kriegsgefangene – unsere Mitbürger – brutal ermordet.« Besonders schmerzlich sei: »Die im Wegweiser von 1967 abgebildete bekannte Figurengruppe von Fritz Cremer hat mich damals, als Kind, zutiefst erschüttert. Auch heute bleibt das Denkmal ein stiller Appell an die Menschlichkeit in uns allen. Schade, dass das Bild nicht im modernen Wegweiser zu finden ist, wie auch viele andere Dinge, die man in den vergangenen Jahrzehnten vergessen konnte oder auch wollte.« Warum wurde die Darstellung so verändert?

Die heutige jW erscheint mit dem Bild von ­Cremers Denkmal auf Seite eins. Am 1. September 1939, an dem Deutschland den Zweiten Weltkrieg entfesselte, wurde fortgesetzt, was nicht erst mit der Einrichtung des Konzentrationslagers Buchenwald 1937 begonnen hatte: Der Krieg nach außen folgte dem nach innen. Cremers Figurengruppe, an der er von 1952 bis 1958 arbeitete, mahnt an unvorstellbare Leiden und ist zugleich Appell zu Widerstand in scheinbar aussichtsloser Lage. Der Faschismus wurde unter millionenfachen Opfern geschlagen, Buchenwald befreite sich selbst. Der »Schwur von Buchenwald« vom 19. April 1945 hat nichts von seiner Aktualität verloren: »Die endgültige Zerschmetterung des Nazismus ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ideal.«

Diese jW-Ausgabe ist wie jede andere eine gegen den Krieg. Sie soll über seine Vorbereitung aufklären und Mut machen. 85 Jahre nach dem 1. September 1939 ist die Gefahr eines Weltkrieges so hoch wie selten nach 1945. Hier sei angeführt, was im Septemberheft der Blätter für deutsche und internationale Politik zu den Ursachen gesagt wird: Für die USA gehe es darum, ihre »bisherige Vormachtstellung trotz zunehmender Konkurrenz mit Staaten wie Russland, insbesondere aber mit China, auch in Zukunft« aufrechtzuerhalten. Die fast nebenbei am 10. Juli mitgeteilte Stationierung von bodengestützten US-Mittelstreckenraketen in Deutschland ist aus Sicht der Blätter-Autoren »Teil einer umfassenderen Strategie der USA, die seit mehreren Jahren präzise Abstandswaffen großer Reichweite in den Mittelpunkt ihres vernetzten Ansatzes zur Abschreckung und Kriegführung stellt.« Anders gesagt: Hier wird eine Welt des Krieges und der Unterdrückung entworfen.

Die Gegenkräfte sind größer als in deutschen Großmedien widergespiegelt. Das Kräfteverhältnis auf der Welt ändert sich – nicht nur durch den Aufstieg des sogenannten globalen Südens mit Schwergewichten wie China, Indien oder Brasilien, Protest regt sich auch in Deutschland, in einem Zentrum der Weltmilitarisierung. Der DGB überschrieb seinen Aufruf zum 1. September mit: »Friedensgebot mit Leben füllen, kriegerische Gewaltspirale durchbrechen!«. Auf friedenskooperative.de findet sich eine Liste der rund 100 Kundgebungen, die rund um den Antikriegstag bundesweit stattfinden. Und wenn es dort hundertmal gesagt wird: Es ist höchste Zeit, den Frieden zu wählen. Nicht nur an Wahltagen.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

  • Leserbrief von Reinhard Sandrock aus Dresden (31. August 2024 um 14:39 Uhr)
    Eine notwendige Ergänzung, heute oftmals bewusst nur zur Hälfte wiedergegeben: Zur Reichspräsidentenwahl 1932 mahnte die KPD, nicht nur, aber vor allem an die deutsche Sozialdemokratie gerichtet: Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, wer Hitler wählt, wählt den Krieg. Wie weise war doch die Voraussage, nur die wenigsten nahmen damals diese Warnung ernst, viele erst als es zu spät war. Die Folgen kennen wir.