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Aus: Ausgabe vom 31.08.2024, Seite 2 / Ausland
Geflüchtete aus Gaza in Kairo

»Absolut sich selbst überlassen«

Geflüchtete aus Gaza sind in Ägypten auf sich allein gestellt. Initiativen versuchen, die Versorgungslücken zu stopfen. Ein Gespräch mit Mimi Khammas
Interview: Yaro Allisat
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Flüchtende aus Gaza an der streng bewachten Grenze zu Ägypten (Rafah, 7.1.2024)

Sie waren mit der Hilfsorganisation »Wir packen’s an« in Ägypten, um dort palästinensische Geflüchtete zu unterstützen. Was haben Sie dort gemacht?

Da wir bisher in der Region noch nicht aktiv waren, war ich auf einer sogenannten Scouting Mission in Kairo. Das bedeutet, dass wir uns vor Ort mit möglichen Partnerorganisationen treffen und versuchen, einen besseren Überblick über die Situation zu bekommen. Es ist wichtig, Hilfe möglichst direkt an Betroffene zu geben. Dafür brauchen wir Partner vor Ort, die im nahen Austausch und Kontakt mit den Geflüchteten stehen.

Wie ist die aktuelle Situation von Geflüchteten aus dem Gazastreifen in Ägypten? Gibt es staatliche Unterstützung?

Die Menschen sind absolut sich selbst überlassen. Ägyptische Nichtregierungsorganisationen dürfen offiziell nicht aktiv werden. Da die geflüchteten Menschen offiziell als Touristen gelten, greifen auch sonstige Hilfsstrukturen nicht. Die Unterstützung, die es gibt, wird von kleinen Initiativen gestemmt, wie zum Beispiel von unserer Partnerorganisation Lifeblood Foundation, die leider nicht die Mittel hat, sich um jede geflüchtete Person kümmern zu können.

Aktuell sollen um die 120.000 Menschen aus Gaza in Ägypten sein. Diese sind weit verteilt und es fehlt an Strukturen wie einer übersichtlichen Liste, um die Menschen erreichen zu können. Sicherlich haben die Behörden solche Verzeichnisse, aber die sind nicht für NGOs zugänglich. Besonders wichtig wäre das für die aus medizinischen Gründen Evakuierten, da diese ja noch auf viel mehr Hilfe und Unterstützung angewiesen sind. Ich habe Mütter getroffen, die ihre verletzten Kinder begleitet haben und nun teils auf die Unterstützung von ihren Familien aus Gaza angewiesen sind.

Es gibt in Gaza keine sicheren Orte. Auch der Grenzübergang Rafah nach Ägypten ist geschlossen und wird von der israelischen Armee kontrolliert. Wie kommen Menschen trotzdem nach Ägypten?

Die Menschen, die in Ägypten sind, haben es noch vor der Zerstörung und Einnahme Rafahs nach draußen geschafft. Seitdem die israelischen Truppen im Mai Rafah eingenommen haben, kommt man nicht mehr aus Gaza heraus. Das ist absolut inakzeptabel. Es muss sichere Fluchtrouten und Schutzzonen für die zivile Bevölkerung geben. Das gibt es für Menschen aus Gaza nicht.

Allerdings war es auch schon vorher Menschen, die fliehen »wollten«, nur mittels horrender Summen möglich: das heißt, pro Kopf rund 5.000 US-Dollar an Israel und Ägypten, um mit einem Touristenvisum nach Ägypten zu kommen. Wer jeweils welche Summe bekommt, kann ich nicht sagen. Aber ich hoffe, dass es eines Tages aufgearbeitet wird und alle Beteiligten zur Rechenschaft gezogen werden. Die Menschen sind wegen des Visums offiziell nicht als Geflüchtete anerkannt. Nur wer dieses Geld aufbringen konnte, hatte überhaupt eine Chance zur Flucht.

Auf welchem Weg kommen verletzte Personen aus Gaza nach Ägypten?

Ein anderer Weg, wie Menschen aus Gaza herauskommen, sind die medizinischen Evakuationen. Es handelt sich oft um verletzte Menschen, die evakuiert werden, um mehr freie Krankenhausbetten zur Verfügung zu haben. Auch dann muss man zahlen: Ein Mann hat mir erzählt, dass er verletzte Kinder evakuieren lassen wollte und für jedes verletzte Kind Geld bezahlen musste.

Wie wollen Sie zukünftig palästinensische Geflüchtete in Ägypten unterstützen?

Wir haben aktuell mit der Lifeblood Foundation eine Partnerorganisation gefunden, die direkt mit betroffenen Menschen arbeitet. Wir besprechen mit ihnen, welchen Bedarf es gibt und wie wir bestmöglich unterstützen können. Eine weitere Reise nach Kairo ist bereits geplant. Zukünftig wollen wir vor Ort auch direkt helfen, zum Beispiel durch das Einkaufen von Lebensmitteln oder anderen benötigten Gütern.

Wie kann man Sie unterstützen?

Wir sind auf Spenden angewiesen, damit wir weitermachen und die Arbeit ausbauen können. Daneben kann man auch in Deutschland zum Packen von Hilfsgütern bei uns vorbeikommen. Wir haben verschiedene Projekte und Einsatzgebiete.

Mimi Khammas hat mit »Wir packen’s an« e. V. Ende Juli und Anfang August palästinensische Geflüchtete in Kairo unterstützt

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