Die Ampel langt zu
Von Kristian StemmlerMit Blick auf die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen am Sonntag und unter dem Druck der Opposition von rechts hatte die Ampelkoalition es eilig. Am Donnerstag nachmittag, nur knapp eine Woche nach dem Messerangriff von Solingen, legte die Bundesregierung ein »Sicherheitspaket« vor, das diverse Verschärfungen im Asyl- und Waffenrecht bündelt. Innenministerin Nancy Faeser (SPD), die die Maßnahmen mit Justizminister Marco Buschmann (FDP) präsentierte, sprach von einer »harten Reaktion« auf den Anschlag. Der Union geht das Paket – kaum überraschend – nicht weit genug. Kritik kam dagegen von der Partei Die Linke und von der Organisation Pro Asyl.
In der Asylpolitik hat sich die Regierung auf die Streichung von Sozialleistungen für ausreisepflichtige Asylsuchende im »Dublin-Verfahren« geeinigt, also Geflüchtete, die bereits in einem anderen EU-Land registriert wurden. Abschiebungen von Straftätern und »Gefährdern« nach Afghanistan und Syrien sollen ermöglicht werden. Bei schweren Straftaten will die Regierung die Schwelle für »schwerwiegendes Ausweisungsinteresse« senken, was Abschiebungen erleichtert. Wenn Asylberechtigte »nicht unbedingt notwendige« Reisen in ihr Herkunftsland unternehmen, soll ihnen der Schutzstatus aberkannt werden. Ukrainer sind von dieser Regelung aber ausgenommen.
Im Waffenrecht soll der Umgang mit Messern im öffentlichen Raum weiter eingeschränkt werden. Dazu zählt ein generelles Messerverbot im Fernverkehr mit Bussen und Bahnen, auf Volksfesten und bei anderen Großveranstaltungen. Auch soll für Springmesser ein Verbot kommen. Zum »Sicherheitspaket« gehört außerdem, dass die Befugnisse der Behörden zur Überwachung erweitert werden sollen. Ermittlungsbehörden sollen künftig öffentlich zugängliche Bilder biometrisch mit den Fotos von Tatverdächtigen oder gesuchten Personen abgleichen dürfen.
Faeser zeigte sich offen für weitere Schritte nach Gesprächen mit Union und den Ländern. Als Termin ist der Dienstag im Gespräch. Die Union machte unterdessen klar, dass sie das »Sicherheitspaket« für unzureichend hält. In dem Papier stehe »nichts Falsches«, erklärte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann gegenüber der Rheinischen Post. Es seien aber »leider nicht die notwendigen Maßnahmen«. Wenn die Bundesregierung an ernsten Gesprächen mit der Union interessiert sei, müssten am Dienstag »die Themen Zurückweisungen an der Grenze, Anwendung des Dublin-Prinzips und konsequente Abschiebungen auf den Tisch«.
Die AfD-Kovorsitzende Alice Weidel warf Ampelkoalition und Union »Wählertäuschung« vor. Das Sicherheitspaket sei »die reinste Panik vor den Landtagswahlen«, sagte Weidel beim Wahlkampfabschluss der sächsischen AfD in Dresden. Ähnlich äußerte sich Sahra Wagenknecht: »Während das BSW einen Stopp der unkontrollierten Migration auch schon vor den Verbrechen von Mannheim und Solingen gefordert hat, kündigt die Ampel die Maßnahmen nicht aus Überzeugung an, sondern aus Angst vor dem Sonntag«, sagte die BSW-Vorsitzende der dpa.
Die FDP erwartet von der Union eine konstruktive Mitwirkung. Wichtig sei jetzt, »dass die demokratischen Parteien auf allen staatlichen Ebenen eng miteinander kooperieren«, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr gegenüber dpa. Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler kritisierte Bündnis 90/Die Grünen und die FDP scharf. »Es müssen offenbar erst Tote auf der Straße liegen, damit die Koalitionspartner sich bewegen«, so der ehemalige Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) am Freitag im ARD-»Morgenmagazin«. Es sei ein »offenes Geheimnis«, dass die FDP eine Verschärfung des Waffenrechts und die Grünen Abschiebungen blockiert hätten.
Pro Asyl kritisierte die Maßnahmen. Die vorgeschlagene Streichung der Leistungen für »Dublin-Fälle« sei »absehbar verfassungswidrig«. Das Bundesverfassungsgericht habe festgestellt, dass Sozialleistungen nicht aus vermeintlichen Abschreckungseffekten gestrichen werden dürften. Jede »Aufweichung der Menschenwürde« wäre gesellschaftspolitisch fatal, so Pro Asyl, die Debatte spiele »den Feinden des Verfassungsstaats in die Hände«.
Kritik kam auch von Clara Bünger, flüchtlingspolitische Sprecherin der Linke-Gruppe im Bundestag. Weder Messerverbotszonen noch Abschiebungen könnten Anschläge wie den in Solingen verhindern, erklärte sie in einer Mitteilung. Auch geringere Sozialleistungen wirkten »garantiert nicht gegen Radikalisierung«. Das Sicherheitspaket der Regierung sei »Ausdruck einer rassistischen und islamfeindlichen Politik«. Statt Syrer und Afghanen »pauschal zu verurteilen«, solle sich die Gesellschaft damit befassen, »warum Menschen sich hier in Deutschland radikalisieren«, so Bünger.
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