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Aus: Ausgabe vom 31.08.2024, Seite 6 / Ausland
Polen

PiS soll zahlen

Polnische Wahlbehörde sieht Unregelmäßigkeiten und kürzt früherer Regierungspartei Gelder
Von Reinhard Lauterbach, Poznań
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So hatte er sich das nicht vorgestellt: PiS-Chef Jarosław Kaczyński am 10. Juli in Warschau

Die polnische Staatliche Wahlkommission hat der im Oktober abgewählten Exregierungspartei PiS falsche Wahlkampfabrechnungen vorgeworfen und ihr als Konsequenz die staatlichen Subventionen gekürzt. Der am Donnerstag verkündete Beschluss bezieht sich darauf, dass die Partei in mindestens drei Fällen öffentliche Mittel für Wahlkampfevents ausgegeben habe: einen TV-Spot und zwei »Militärpicknicks«, bei denen Erbsensuppe ausgegeben, Waffen vorgeführt und patrio­tische Reden gehalten wurden.

Als Konsequenz verurteilte die Kommission die PiS dazu, das Dreifache der hierfür verwendeten Mittel an die Staatskasse zurückzuzahlen. Außerdem wurde die – noch ausstehende und von der Annahme des Rechenschaftsberichts abhängige – Wahlkampfkostenerstattung für die Partei um knapp elf Millionen Złoty (rund 2,6 Millionen Euro) gekürzt. Derselbe Betrag soll auch bei den laufenden staatlichen Zuschüssen für den Rest der Legislaturperiode einbehalten werden. Die Rzeczpospolita vom Freitag summierte die drohenden Einbußen für die PiS auf insgesamt 57,6 Millionen Złoty.

Allerdings ist noch unklar, ob die Entscheidung der Kommission vor Gericht Bestand hat. Die PiS kündigte bereits an, den Bescheid mit einer Beschwerde beim Obersten Gerichtshof anzufechten. Zuständig ist dort ein Senat für »Öffentliche Angelegenheiten und Sonderkontrolle«, den die PiS während ihrer Regierungszeit eingerichtet und mit von ihr gewähltem Personal besetzt hat. Der Europäische Gerichtshof hat dem Senat zwar mehrfach die Rechtmäßigkeit abgesprochen, aber das hat für Entscheidungen über innerpolnische Fragen zunächst einmal keine Bedeutung. Der Senat hat für die Behandlung der Beschwerde 60 Tage Zeit, das bedeutet, dass die PiS das ihr jetzt verlorengehende Geld im Falle einer für sie günstigen Gerichtsentscheidung doch noch für den im kommenden Jahr fälligen Präsidentschaftswahlkampf einplanen kann.

Dass die PiS das Vorgehen als Anschlag der Regierungskoalition auf die Demokratie geißelte und als Versuch, die Opposition zu knebeln, war zu erwarten. Gleichzeitig laufen aber offenkundig hinter den Kulissen informelle Absprachen zwischen Regierung und PiS, insbesondere dem Präsidialamt. Anfang der Woche wurde bekannt, dass Regierungschef Donald Tusk die Ernennung eines von Staatspräsident Andrzej Duda nominierten »Neorichters« (damit sind die 2.000 während der Regierungszeit der PIS ernannten, nach EU-Recht illegalen Richter des Landesjustizrats in Polen gemeint) zum Vorsitzenden eines Richterwahlausschusses am Obersten Gerichtshof abgesegnet hat – obwohl die Koalition versprochen hatte, den Einfluss dieser Gruppe zurückzudrängen. Nachträglich erklärte Tusks Kanzleichef Maciej Berek, er habe »irrtümlich« versäumt, Tusk auf den Charakter des vorgeschlagenen Kandidaten als »Neorichter« aufmerksam zu machen. Berek erklärte seine Bereitschaft zum Rücktritt, den Tusk aber nicht annahm. So vermutet der kritische Teil der polnischen Öffentlichkeit, dass der Kanzleichef zum Sündenbock für die Folgen einer geheimen Personalabsprache zwischen Tusk und Duda gemacht wurde. Es sei in Wahrheit darum gegangen, dass Duda der Nominierung des Tusk-Vertrauten Piotr Serafin für die künftige EU-Kommission zustimmt. Serafin ist ein Beamter mit langer Erfahrung im Dickicht der Brüsseler Bürokratie; wie man lesen kann, strebt Tusk für ihn ein Ressort »mit Budgetbezug« an, außerdem den Posten eines Stellvertreters der designierten Kommissionschefin Ursula von der Leyen.

Gegenüber der eigenen Anhängerschaft bittet Tusk inzwischen um Geduld angesichts des schleppenden »Ausmistens« nach acht Jahren PiS-Herrschaft. Auf einer Veranstaltung in Olsztyn mit Zielgruppe Jungwähler entschuldigte er sich letzte Woche dafür, dass die angekündigte Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs nicht zustande gekommen ist. Er habe leider keine entsprechende Mehrheit in der Koalition, so Tusk. Die implizite Bitte an die junge Generation, der er seinen Wahlsieg letztes Jahr verdankt hat: Bleibt bei der Stange und nächstes Jahr nicht zu Hause, wenn es um die Nachfolge Dudas geht.

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