Organisation ist gefragt
Von David MaiwaldEs sei »keine vertrauensvolle Zusammenarbeit« mit Konzernchef Miguel López mehr möglich, erklärte Sigmar Gabriel (SPD) nach der Aufsichtsratssitzung von Thyssen-Krupp Steel (TKS). Die endete am Donnerstag mit einem Paukenschlag. Nach einer wochenlangen Kampagne nahmen die drei von López geschassten TKS-Vorstände ihren Hut. Mit ihnen gingen vier Aufsichtsratsmitglieder, darunter der Vorsitzende Gabriel. Vertrauen in »Willen und Fähigkeit« zur Zusammenarbeit mit López seien verloren.
Bei den Stahlkochern war das längst der Fall. Bloß: Die Abgänge aus Vorstand und Aufsichtsrat schaffen für den Kurs des Industriemanagers keine Hürden, im Gegenteil, sie ebnen ihm den Weg. Mit der Ausrichtung von Thyssen-Krupp Steel auf »Klimaneutralität« wurde schon seit einiger Zeit die Zukunft der totgesagten Stahlindustrie verhandelt. Zur Debatte stehen nun 10.000 Stellen und eine ganze Produktionslinie, an der mit Zulieferbetrieben sowie weiterem Umfeld an die hunderttausend Menschen in der Region hängen. Nun sind die organisierten Kollegen und die IG Metall gefragt, um »Stahl ist Zukunft« einzulösen.
Das ist schwierig bis unmöglich, wenn die Gewerkschaft nur im Rahmen von Tarifbestimmungen agiert. Sicher: Sie hat das Recht, Beschäftigte vor und nach den Schichten an die Tore der Stahlwerke oder des Thyssen-Hochhauses zu mobilisieren. Ohne den Rahmen des Tarifvertrags »Zukunftspakt Stahl 20–30« zu sprengen, wird sich aber kein Druck auf die Konzernspitze ausüben lassen. Zum Preis von mehr als 3.000 Stellen garantiert dieser die Beschäftigungssicherung bei TKS bis ins Frühjahr 2026. Aber auch die Friedenspflicht gegenüber dem Konzern.
»Sozialpartnerschaft« ist kein Werkzeug in den Händen der Lohnabhängigen. Mitbestimmung muss stets erkämpft werden, hat aber klare Grenzen. Sie endet – wie erst kürzlich im Thyssen-Krupp-Gesamtkonzern – spätestens bei der Doppelstimme des Aufsichtsratsvorsitzenden. In der Abstimmung zum Anteilverkauf von TKS an den tschechischen Milliardär Daniel Křetínský zeigte das Doppelvotum von Industrie-»Präsident« Siegfried Russwurm den Vertretern des Betriebsrats im Aufsichtsrat deutlich ihre untergeordnete Position. Die Durchsetzungsmacht der Belegschaft liegt in ihrer Fähigkeit, sich zu organisieren.
Das sagt sich leicht. Schließlich könnte ein Kampf gegen die Konzernspitze der IG Metall auch schwere Niederlagen zufügen, wie jener um das Kruppsche Hüttenwerk in Duisburg-Rheinhausen Ende der 80er Jahre. Die damals durch die Landespolitik vermittelte »Düsseldorfer Vereinbarung« sicherte nach Entlassung von mehr als 10.000 Beschäftigten den längeren Betrieb. Nach wieder gestiegener Stahlnachfrage aber letztlich die Profite des Konzerns. Dann war Schluss. Für die Stahlkocher und ihre Gewerkschaft eine Warnung, nicht auf Absprachen und Vermittlungen durch Industriebosse und (Ex-)Politiker zu vertrauen.
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