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Aus: Ausgabe vom 31.08.2024, Seite 8 / Ansichten

Edgelord des Tages: Klaus Heckemann

Von Felix Bartels
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Si tacuisset: Hätte er geschwiegen, wär er Präsident geblieben. Es geht um Klaus Heckemann, aber noch ist er ja Vorstandschef der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen. Noch. Wie es weitergeht mit dem Mann, hängt ein wenig vom Sommerloch und etwas mehr davon ab, wie die Öffentlichkeit auf das Wort »Eugenik« zu sprechen ist. Ebendas hat Heckemann in einer Mitteilung der KV Sachsen benutzt und kann nicht wirklich überrascht sein, dass nunmehr sein Rücktritt im Raum steht.

Der Inhalt ist dabei so skandalös nicht. Die vollständige Entschlüsselung des menschlichen Genoms, schreibt Heckemann, habe diagnostische Möglichkeiten eröffnet. Frauen mit Kinderwunsch könnte eine Suche nach »vererbbaren, schweren Erkrankungen angeboten« werden. Sollte man beim potentiellen Vater ebenfalls Veranlagungen feststellen, ließe sich durch »In-vitro-Fertilisation und Präimplantationsdiagnostik« das Risiko der »Geburt eines schwerstkranken Kindes ausschließen«. Einfacher: Bei gefährdeten Eltern würde eine externe Befruchtung durchgeführt und im Fall absehbarer Beeinträchtigungen des Embryos auf die Einpflanzung in die Gebärmutter verzichtet werden. Das klingt klinisch und kalt, wäre aber der Sache nach sogar weniger drastisch als ein Abbruch wegen Behinderung des Fötus, der nach gegenwärtiger Rechtslage erlaubt ist, sofern die physische oder psychische Gesundheit der Schwangeren gefährdet würde.

Was Heckemann geritten hat, von »Eugenik« zu sprechen, aber im »besten und humansten Sinn«, weiß vermutlich nicht mal er selbst. Der Begriff ist besetzt mit NS-Ideologie und meint »Rassenhygiene«, zuletzt hat Thilo Sarrazin ihn auf Basis mühevoll angelesenen Halbwissens revivalt. Der Scheißsturm kam unvermeidlich. Heckemann kann ihn eigentlich nicht nicht gewollt haben. Oder er ist von Sinnen, was auch ein Grund zum Rücktritt wäre.

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