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Aus: Ausgabe vom 31.08.2024, Seite 8 / Abgeschrieben

Berliner Flüchtlingsrat kritisiert Kooperation mit Taliban für Abschiebungen nach Afghanistan

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Protest gegen Abschiebungen nach Afghanistan am Flughafen Frankfurt am Main (14.12.2016)

Der Berliner Flüchtlingsrat zeigte sich am Freitag entsetzt über Abschiebungen nach Afghanistan:

»Mit diesem Flug hat Deutschland die Kooperationen mit den Taliban salonfähig gemacht, einer menschenrechtsverachtenden De-facto-Regierung, die zuletzt Mädchen und Frauen das Sprechen und Singen in der Öffentlichkeit verboten hat und Menschen, die nicht ihren Glaubensgrundsätzen folgen, einsperrt, foltert und tötet«, kritisiert Abuzar Toran vom Flüchtlingsrat Berlin.

Keine Straftat erlaubt Deutschland das Abschieben in Folter und unmenschliche Behandlung. Hierbei handelt es sich um einen klaren Rechtsbruch sowie um eine unzulässige Doppelbestrafung.

»Auch Straftäter*innen müssen in Deutschland nach rechtsstaatlichen Prinzipien behandelt werden. Das gehört zu den Grundfesten unseres demokratischen Systems«, ergänzt Mariella Lampe vom Flüchtlingsrat Berlin. Dieser Flug ist ein Dammbruch in der deutschen Außenpolitik, die nun nach Iran noch mit einem weiteren menschenverachtenden, folternden und mordenden System kooperiert und diese so in ihrer Macht festigt. Für den Flüchtlingsrat Berlin ist klar: Einen zweiten Flug nach Afghanistan darf es nicht geben.

Die fluchtpolitische Sprecherin der Gruppe Die Linke im Bundestag, Clara Bünger, kritisierte im Vorfeld der Sondersitzung des Innenausschusses zum Angriff in Solingen am Freitag das »Sicherheitspaket« der Bundesregierung:

Der tödliche Anschlag in Solingen hat unser Land zu Recht erschüttert. Mein Beileid gilt den Angehörigen der Getöteten und Verletzten und allen Menschen, die den Angriff miterleben mussten. Aus den Geschehnissen sollten Konsequenzen folgen. Doch was die Bundesregierung plant, ist nicht die richtige Antwort.

Weder Messerverbotszonen noch mehr Abschiebungen können solche Anschläge verhindern. Auch geringere Sozialleistungen wirken garantiert nicht gegen Radikalisierung. Ganz abgesehen davon, dass diese Forderungen nicht mit geltendem Recht vereinbar sind. Prävention muss schon vor der Radikalisierung ansetzen. Menschen, die aus Syrien und Afghanistan zu uns kommen, fliehen vor Krieg und Gewalt. Viele von ihnen fliehen vor Terrororganisationen wie dem IS und den Taliban. Statt sie alle pauschal zu verurteilen, sollten wir uns damit beschäftigen, warum Menschen sich hier in Deutschland radikalisieren und diesen Gruppen anschließen. (…)

Das Sicherheitspaket der Bundesregierung trägt hierzu nur wenig bei. Statt dessen ist es Ausdruck einer rassistischen und islamfeindlichen Politik. Der Angriff in Solingen ist sieben Tage her, und schon sollen zahlreiche Gesetzesverschärfungen umgesetzt werden. Nach dem rassistischen Anschlag in Hanau dauerte es dagegen mehr als neun Monate, bis die Regierung einen Maßnahmenkatalog als Reaktion darauf beschloss. Dieses übereilte Vorgehen zeigt, dass die Bundesregierung sich von rechter Stimmungsmache treiben lässt. Die vorgeschlagenen Maßnahmen basieren vor allem auf Vorurteilen, nicht auf Fakten oder wissenschaftlichen Erkenntnissen. Sie sollen beschwichtigen, lösen aber kein Problem. Die Bundesregierung muss sich aber tiefergehend mit dem Thema Radikalisierung beschäftigen und faktenbasierte Vorschläge einbringen. Es braucht tragfähige Lösungen, um Radikalisierung dauerhaft zu verhindern.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

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