Die Greuel der Partisanen
Von Arnold SchölzelWiderstandsbewegungen in den vom deutschen Faschismus besetzten Ländern Europas kommen in bundesdeutschen Bürgermedien selten vor. Das ist verständlich. Eine Bevölkerung, deren Regierung und Justiz zum Beispiel den Hauptverantwortlichen für die Massaker in Oradour-sur-Glane und Tulle, SS-General Heinz Lammerding, nicht an Frankreich auslieferten, darf keine Ahnung von der Résistance haben. Das gilt erst recht für Staaten, mit denen es sich die BRD einfacher als mit NATO-Verbündeten machen durfte: Was im Kalten Krieg hinterm »Eisernen Vorhang« lag, gilt als in jeder Hinsicht kommunistisch oder russisch verseucht. Beides ist für »Kriegstüchtige« ohnehin dasselbe.
Das betrifft auch die Slowakei und den Slowakischen Nationalaufstand, der am 29. August 1944 begann. An ihm beteiligten sich rund 80.000 Menschen – er war eine der größten bewaffneten Widerstandsaktionen des Zweiten Weltkriegs überhaupt. Am Donnerstag beging die Slowakei den 80. Jahrestag seines Beginns unter anderem mit einer Militärparade unter Beteiligung der Westalliierten in Banská Bystrica. Außer einem Beitrag im Deutschlandfunk unter dem Titel »Slowakischer Nationalaufstand – Wie Robert Fico Geschichte instrumentalisiert« und einem ähnlich gelagerten Beitrag des Auslandssenders Deutsche Welle (»Die Slowakei begeht mit großen Feierlichkeiten den 80. Jahrestag des Aufstands gegen Hitlerdeutschland und das Kollaborationsregime. Auch die Putin-Freunde in dem zunehmend autoritär regierten Land feiern mit.«) fand das hierzulande keine Erwähnung, war die Rede des Ministerpräsidenten Fico keine Notiz wert. Er sagte da neben anderem, es sei »gefährlich, dass wir heute Zeuge einer möglichen globalen Konfrontation sind«.
Immerhin widmete sich FAZ-Redakteur Niklas Zimmermann am Donnerstag unter der Überschrift »Wer kämpfte gegen Hitler?« dem Datum. Unterzeile: »Der Ukraine-Krieg prägt das Erinnern an den Slowakischen Nationalaufstand«. Beleg: »Der russische Krieg gegen die Ukraine« habe »neue Spannungen in die historische Deutung des Aufstands gebracht. Die einen sehen in Russland den Aggressor, der an die Unterdrückung in Hitlers Vasallenstaat anknüpft. Die anderen sehen Russland nach wie vor als Nachfolger der Sowjetunion, die einst die Slowakei von den Nazis befreite. Die zweite, russlandfreundliche Interpretation wird von der Regierung von Ministerpräsident Robert Fico aktiv gefördert. Die sowjetische Unterstützung des Aufstands von 1944 und die Befreiung im Jahr 1945 gelten als Argument dafür, der Ukraine keine Waffen zu liefern und überhaupt ›niemals gegen Russland‹ zu kämpfen.« Zimmermann weiter: »Diese Sichtweise steht nicht nur im Widerspruch zu neueren Forschungen, die zeigen, dass die Rote Armee am Ende des Zweiten Weltkriegs zu großem Teil aus Ukrainern bestand, sondern dient auch dazu, den ›Faschismus‹ nun aus dem Westen kommen zu lassen.« So wird Gewissheit, was 2015 noch für plemplem erklärt wurde. Der damalige polnische Außenminister Grzegorz Schetyna hatte festgelegt, nicht russische, »sondern ukrainische Soldaten« hätten Auschwitz befreit. Für die Rede vom Faschismus, der nun aus dem Westen komme, führt der FAZ-Autor Zitate eines Politikers aus Ficos Partei von 2023 an und den Auftritt eines »Mitstreiters« eines slowakischen Faschisten ebenfalls im vergangenen Jahr. Fico-Zitat? Fehlanzeige.
Fehlt noch was? Ja. Zimmermann rundet seinen Text mit einer Nazierzählung ab: »Greueltaten wurden nicht bloß von deutschen Truppen verübt, die ganze Dörfer niederbrannten. Ein ähnliches Schicksal ereilte auch das Dorf Glaserhau (Sklené). Am 21. September 1944 ermordeten dort Partisanen 187 deutschsprachige Männer.« »Unsere« Vergangenheit war immer im Lot.
So wird Gewissheit, was 2015 noch für plemplem erklärt wurde. Der damalige polnische Außenminister Grzegorz Schetyna hatte festgelegt, nicht russische, »sondern ukrainische Soldaten« hätten Auschwitz befreit.
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