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Aus: Ausgabe vom 31.08.2024, Seite 8 (Beilage) / Wochenendbeilage

Eiskaffee Therese

Von Maxi Wunder

»Weißt du, Maxi, es reicht. Ich empfinde das als Beleidigung meiner Mutter, eine unerhörte Verhöhnung … Diese Schweine, ich mach’ sie fertig!« Roswitha geht mit entschlossenen Schritten voran. August-Bebel-Straße, Karl-Marx-Straße, Friedhof – geschafft. Andere Leute ruhen sich Sonntag morgens von einer Party aus, wir fahren mit der Regionalbahn in aller Frühe zum Grab von Rossis Mutter. »Wie heißt der Ort hier?« frage ich müde. »Hast du den Kaffeesatz?!« fragt Rossi zurück. Natürlich habe ich den über Wochen in unserer Kommune gesammelten Kaffeesatz – einen schweren Rucksack und eine Reisetasche voll. Rossi zieht ihren Trolley mit mehreren Kilo Branntkalk hinter sich her. »Wir könnten auch Blindschleichen, Igel, Enten und Hühner gegen die Nacktschnecken aussetzen«, meint sie. »Oder Kröten, Spitzmäuse und Hundertfüßler – alles natürliche Feinde der schleimigen Vielfraße. Aber wer garantiert uns, dass unsere Helfer nicht stiften gehen? Dann hätten wir sie umsonst nach Wusterwitz transportiert.« Ach ja – »Wusterwitz«.

Ich war schon Monate nicht am Grab meiner Frau Mutter gewesen, die – ich möchte ja nicht angeben – in Berlin-Friedenau schräg gegenüber von Marlene Dietrich liegt. Ihr Grab ist schneckenfrei. Insgesamt sehen Berliner die Grabpflege eher locker. Das ist im Hochsommer ganz gut so. Schnecken mögen keine Wüste. Sie wollen es nass und grün. »Deshalb mussten wir frühmorgens nach Wusterwitz fahren«, belehrt mich Rossi. »Man soll am Morgen das Blumenbeet gießen, damit die Erde bis zum Abend wieder trocken ist, wenn die Schnecken fressen kommen. Beziehungsweise, dann kommen sie eben nicht … Oder so. Ich hole mal ’ne Gießkanne.« Die hat auch keine Ahnung … aber mich aus dem Bett jagen, das kann sie.

»Hier ruht in Frieden Therese Hardenberg« steht auf dem Stein. Davor Einöde mit Unkraut, Pardon: Wildkraut. Sämtliche Chrysanthemen sind bis aufs Skelett abgefressen. Rossi setzt die Kanne ab. Sie deutet fassungslos auf die Blumenleichen. »Ist das nicht ein Horror? Muttilein, jetzt naht Rettung!« Zunächst pflanzt sie eine stachelige Rose in die Mitte, dann streut sie einen Sperrstreifen Kalk rund ums Grab. »Der verätzt die Viecher, wenn sie anrücken. Maxi, jetzt den Kaffee obendrauf! Koffein mögen Schnecken gar nicht, das ist für die Nervengift. Nein, da! In die Mitte!« – »Ich hoffe, deine Mutter mochte Kaffee«, grummle ich und saue mir die Schuhe ein. »Vier Kannen pro Tag«, meint Rossi stolz. »Und 90 geworden!« Na dann:

Eiskaffee Therese

In einen großen Krug 700 ml kalten Kaffee geben, am besten frisch gebrüht und abgekühlt. 300 ml Vollmilch oder Pflanzenmilch (z. B. Mandel- bzw. Hafermilch), vier EL Ahornsirup oder gesüßte Kondensmilch, zwei TL Vanilleextrakt und einen TL Zimt hinzufügen und gut verrühren, bis alles gleichmäßig vermischt ist. 10 bis 12 Eiswürfel in den Krug geben und alles noch mal gut durchrühren. Den Eiskaffee in Gläser füllen und nach Belieben mit einer Haube Schlagsahne und Schokoladenraspeln oder Kakao­pulver garnieren. Für eine intensivere Kaffeenote den Kaffee stärker brühen.

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