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Aus: Ausgabe vom 02.09.2024, Seite 1 / Titel
Nahostkonflikt

Generalstreik für Geiseln

Gazakrieg: Kein Ende der Gewalt trotz Impfkampagne. Unbefristeter Ausstand soll Israels Regierung zu Verhandlungen zwingen
Von Jörg Tiedjen
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»Stoppt den blutigen Krieg«: Forderungen nach einem Geiseldeal werden immer lauter (Tel Aviv, 31.8.2024)

Für die Palästinenser in Gaza und auch im besetzten Westjordanland gab es am Wochenende keinerlei Aufatmen. Auch wenn am Sonntag morgen im Gazastreifen eine Impfkampagne gegen Polio begann, die eine Woche dauern soll und für die das israelische Militär vorübergehende und lokal begrenzte Feuerpausen ankündigte. Die Maßnahme ist notwendig, nachdem vor Wochen Polioerreger im Wasser in Gaza nachgewiesen wurden und wenig später auch der erste Infektionsfall eingetreten war. Laut WHO sollen 640.000 Kinder immunisiert werden. Dazu ist allerdings eine zweite Runde der Impfstoffvergabe in wenigen Wochen erforderlich. Polioviren sind Auslöser der gefährlichen Kinderlähmung.

Unterdessen gingen die Kampfhandlungen unvermindert weiter. Allein im Gazastreifen sollen laut Agentur WAFA am Sonnabend mindestens 47 Palästinenser bei israelischen Angriffen getötet und 94 verletzt worden sein. Auch im Westjordanland hielt die Gewalt der Besatzungsmacht an. Dort konzentrierte sich das Vorgehen des israelischen Militärs auf das Flüchtlingslager von Dschenin. Seit Mittwoch sollen bei der israelischen Offensive in der Stadt 14 Palästinenser getötet worden sein. Am Sonntag wurden am Eingang des Lagers auch Journalisten von Heckenschützen beschossen, darunter ein Korrespondent des Senders Al-Dschasira. Im Bezirk Hebron soll es zudem eine Welle von Verhaftungen gegeben haben.

Vor Beginn der Impfkampagne hatte die israelische Armee am Sonnabend erneut den Tod mehrerer von der Hamas und ihren Verbündeten im Oktober entführter Israelis bekanntgegeben. Die sechs Leichname seien in einem unterirdischen Tunnel in Rafah im Süden Gazas gefunden und nach Israel überführt worden, wie dpa unter Berufung auf die Armee berichtete. »Nach unserer ersten Einschätzung wurden sie von Hamas-Terroristen brutal ermordet, kurz bevor wir sie erreichten«, sagte demnach der israelische Armeesprecher Daniel Hagari. Ein Hamas-Sprecher habe dagegen mitgeteilt, die Geiseln seien durch israelisches Bombardement getötet worden.

Die erneuten Nachrichten über den Tod von Geiseln führten schon am Samstag abend zu Protesten, die trotz brutaler Repressionen durch die Polizei am Sonntag fortgesetzt wurden. Im ganzen Land schlossen dazu schon am Sonntag nachmittag zahlreiche Geschäfte. In einem bitteren Kommentar der Tageszeitung Haaretz wurde Premierminister Benjamin Netanjahu und seiner Ministerriege einmal mehr vorgeworfen, eine Einigung mit der Hamas auf einen Gefangenenaustausch zu torpedieren. Außerdem müsse Netanjahu klar sein, dass deren Kämpfer angewiesen seien, Geiseln bei Befreiungsversuchen zu töten. Durch das Vorgehen in Gaza riskiere er das Leben der letzten Geiseln. Insgesamt sollen am 7. Oktober mehr als 250 Menschen aus Israel verschleppt worden sein. Wie viele der nach einem ersten Gefangenenaustausch vom vergangenen Jahr verbliebenen 101 Personen noch leben, ist unbekannt.

Die Angehörigen der Entführten jedenfalls wollen in ihrem Druck auf die ultrarechte Regierung Netanjahus nicht nachlassen. Am Sonntag nachmittag trafen sie sich mit Vertretern des israelischen Gewerkschaftsbundes Histadrut. Laut dem Sender Channel 12 rief dieser darauf einen unbefristeten Generalstreik aus, der am Montag beginnen und auch den Flughafen von Tel Aviv einschließen soll, um die letzte Chance nicht verstreichen zu lassen, die Entführten lebend zurückzuholen.

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