Gegründet 1947 Mittwoch, 6. November 2024, Nr. 259
Die junge Welt wird von 2974 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 02.09.2024, Seite 8 / Ansichten

Besternte Sündenböcke

Ukraine verliert F-16
Von Reinhard Lauterbach
Ukraine_Krieg_Selens_83317653.jpg
Taugt nicht ganz als »Wunderwaffe«: Die bereits aus den Zeiten des Kalten Kriegs stammende F-16 (4.8.2024)

So etwas kommt im Krieg vor: Gerade erst geliefert, hat die Ukraine ihr erstes F-16-Flugzeug verloren. Dass dies aber in einem Kampfeinsatz gegen anfliegende russische Raketen beim Anflug auf das fünfte Ziel geschehen sein soll, ist bestenfalls eine Halbwahrheit. Denn was US-Medien unter Berufung auf Quellen im ukrainischen Militär berichtet haben, wonach der Absturz das Ergebnis von »Friendly fire« bzw. eigenem Beschuss gewesen sei und so weniger die F-16 als vielmehr das US-System »Patriot« seine »hohe Effizienz« (Wolodimir Selenskij) bewiesen habe, ist die plausiblere Version des Hergangs. Denn dass eine der auf ihre Ziele am Boden programmierten russischen Raketen plötzlich das Ziel geändert und den Jet angegriffen haben soll, scheint wenig glaubhaft. Zumal Russland hohe Abschussraten seiner Raketen und Drohnen erkennbar in Kauf nimmt.

Was an der Geschichte weniger gern herausgestellt wird, ist der Umstand, dass die Ukraine die F-16 im Grunde unter ihrem militärischen Wert einsetzt: als fliegende Flak weit im Hinterland der eigenen Front, außer Reichweite der russischen Flugabwehr und außer Gefahr von Luftkämpfen. Kiew hatte schon zugesagt, F-16 nur maximal 40 Kilometer an die Front heranfliegen zu lassen, um die westlichen Spender zu beruhigen. Es ist nämlich für die Zahlungsmoral der westlichen Parlamente und das Selbstbild der westlichen Rüstungsindustrie denkbar schädlich, wenn sich eine der als »Gamechanger« angepriesenen Waffen im praktischen Kampf als verwundbar erweist. Gilt auch für »Leopard« und »Marder«.

Da ist es einfacher, den »subjektiven Faktor« verantwortlich zu machen und den ukrainischen Luftwaffenkommandeur zu schassen. Worin dessen Verantwortung für den militärischen Unglücksfall tatsächlich bestanden haben soll, wird damit genau unter dem Anschein des »Durchgreifens« verborgen. Angelsächsische Leitmedien berichten seit Monaten, dass die ukrainischen Piloten für die F-16 unzureichend vorbereitet seien, und dies zwangsläufig: Die reguläre Ausbildung dauere zwei bis drei Jahre und keine sechs Monate, wie sie den Piloten zugebilligt wurden – einschließlich Sprachkurs.

Aber es ist natürlich viel bequemer, Fehlschläge jeglicher Art »menschlichen Versagens« zuzuschreiben. Insofern ist die Kritik ukrainischer Politiker und Experten wie der Abgeordneten Marjana Besugla, die regelmäßig der militärischen Führung des Landes Unfähigkeit vorwirft, im Kern antikritisch. Das Tempo allerdings, in dem Präsident Selenskij zuletzt hohe militärische Kommandeure verschleißt, lässt tatsächlich auf tiefere als nur persönliche Ursachen schließen. Aktuell ist es die Einsicht, dass der ukrainische Vorstoß im Kursker Gebiet sein strategisches Ziel verfehlt hat, Russland zum Abbruch seiner Offensive im Donbass zu zwingen. Für den Angriffsbefehl ist politisch Selenskij verantwortlich. Sein General ist nur der Blitzableiter.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Ähnliche:

Mehr aus: Ansichten

                                          Heute 8 Seiten extra – Beilage zum Thema: Recht auf Wohnen