TV-Kritiker des Tages: Kurt Beck
Von Nico PoppDie Begriffsbildung zum Thema BSW und Wagenknecht wird nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen ohne Zweifel wilder werden. Aber geht da noch was? Es ist doch schon alles rausgeblasen worden: SED 2.0, AfD light, »nationaler Sozialismus«, Putin-Partei. Kurz vorm Wahlsonntag hat noch Kurt Beck interveniert und dem Tagesspiegel einerseits lächerlichen Unsinn mitgeteilt (»Mal ist sie linksradikal, mal ist sie rechtsradikal«), andererseits aber eine wegweisende Kritik am Wagenknecht-»Hype« vorgetragen: Ist es nicht einfach so, dass die Frau zu oft im Fernsehen ist? »Manchmal gibt es kaum eine Fernseh-Talk-Sendung, in der sie nicht sitzt. Das grenzt an Werbung.«
Der ehemalige SPD-Chef hat in der Ära Schröder gelernt, dass zum Beispiel im talkshowindustriellen Komplex tatsächlich Meinung und mit der »Glotze« Politik »gemacht« wird. Wie damals das ARD-Format »Sabine Christiansen« dafür gesorgt hat, dass das Fernsehpublikum die neoliberale Ideologie als Normalfall des gesitteten Diskurses internalisierte, ist noch heute ein Fall für die Lehrbücher.
Allein: Die Masche seinerzeit war ja – und ist es heute, wenn eine von der Herrschaft gewünschte Sicht auf die Dinge normalisiert werden soll, noch immer –, dass die gewünschte Position grundsätzlich von einer mindestens knappen Mehrheit der eingeladenen Gäste vertreten und auch von der Moderation »abgefragt« wird. Wagenknecht mag oft in solchen Runden auftauchen – aber sie steuert (bislang jedenfalls) meist die abweichende Meinung bei, die dann skandalisiert wird.
Wenn diese Auftritte also Werbung waren, dann, weil der Schuss nach hinten los ging: Ein wachsender Teil der Öffentlichkeit scheint Geschmack an der Abweichung zu finden. Mag sein, dass es das ist, was Beck so beunruhigt – er dachte stets, dass ein »Hype« um eine Person nur dann fällig ist, wenn die sagt, was sowieso alle hören wollen.
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