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Aus: Ausgabe vom 02.09.2024, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

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Er hatte es nicht leicht

Zu jW vom 22.8.: »Drei in eins«

Vielen Dank für diesen Artikel, der mir ein »Wiedersehen« mit einem sehr geschätzten Lehrer aus meiner Studienzeit beschert hat. Leo Kofler war ein Ausnahmetalent als Hochschullehrer, der sich besonders durch seine Fähigkeit zu scharfsinnigen Analysen hervorhob, die er in durchaus unterhaltsamer Form – mit Anekdoten reich gespickt – vortrug. Seine Vorlesungen waren deshalb immer gut besucht. Andere Professorenkollegen sahen das mit einigem Neid. Kofler hatte es nicht leicht. Jahrelang wurde ihm eine ordentliche Professur verwehrt. Er »tingelte« durch diverse Volkshochschulen und hatte Vertreter der »Schlapphüte« als ständige Gäste im Auditorium (die er regelmäßig besonders begrüßte). Seine späte Anerkennung in Bochum war aufgrund des Zuspruchs der Studenten am Ende praktisch unumgänglich. Habe die Ehre, verehrter Herr Professor!

Waldemar Streich, Bielefeld

Menschenwürde

Zu jW vom 27.8.: »Feindbild Migrant«

Bei aller Empörung über den brutalen Mord in Solingen und der damit verstärkten Diskussion über Flüchtlinge darf nicht übersehen werden: Die politische Elite unseres Landes hat mit der aktiven Beteiligung Deutschlands an den Kriegen gegen Jugoslawien, Afghanistan, Syrien und andere Länder dazu beigetragen, dass eine große, nicht mehr zu beherrschende Flüchtlingswelle entstand. Es war SPD-Minister Peter Struck, der 2002 erklärte: »Deutschland wird heute auch am Hindukusch verteidigt.« Die für die Bundeswehr tätigen Ortskräfte will man, trotz Versprechen, nicht mehr haben. Mir ist kein Protest der Bundesregierung gegen den Erdöldiebstahl der USA in Nordsyrien oder die Besetzung der syrischen Golanhöhen durch Israel bekannt. Krieg, Tod, Hunger und Zerstörung treiben Millionen zur Flucht. Unbeachtet soll nicht bleiben, 29 Prozent der deutschen Bürger haben einen Migrantenhintergrund. Was wäre Deutschland ohne ausländische Arbeitskräfte? Alleine im Gesundheitswesen sind 60.000 ausländische Ärzte und 200.000 Pflegekräfte tätig. 15 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Arbeitskräfte in Deutschland sind Ausländer. Die Mitglieder der Koalition können es offenbar mit ihren Gewissen vereinbaren, Asylsuchende in brauchbare und unbrauchbare aufzuteilen. Ist das menschenwürdig?

Wilfried Schubert, Güstrow

Organisierte Rentner

Zu jW vom 22.8.: »Renten müssen rauf«

Die Altersarmut ist nicht nur in den Großstädten der BRD sichtbar. Pfandflaschen suchende und Abfallbehälter durchwühlende Rentnerinnen und Rentner finden sich auch in den Kleinstädten. Besonders von Altersarmut betroffen sind viele Rentnerinnen und Rentner im Osten der BRD. Nach der Konterrevolution wurden viele Fabriken (volkseigene Betriebe) von den westdeutschen Kapitalisten plattgemacht. Tausende DDR-Arbeiterinnen und -Arbeiter sowie -Angestellte verloren dadurch ihre Arbeit. Viele davon blieben über mehrere Jahre arbeitslos. Und genau das wirkte und wirkt sich negativ auf die Rente aus. Ich schreibe dies aus eigener Erfahrung. Ja, die Renten müssen rauf! Aber dazu erfordert es den massenhaften Protest der Rentnerinnen und Rentner. Von alleine wird sich diese Regierung nicht zur Rentenreform bewegen.

Joachim Becker, Eilenburg

Von der Natur lernen

Zu jW vom 27.8.: »Der Klang der Zeit«

»Die Maschinen erobern die Musik«. Nein, nicht »die Musik«, da es unterschiedliche Empfindungen, Interessen und Hörerkreise gibt. Das in diesem Artikel geschilderte Spektrum interessiert nun einmal nur einen sehr überschaubaren Hörerkreis. Von »erobern« keine Spur, wenn auch diese Nische durchaus ihren Platz hat. »Opernhäuser, Theater, Schauspielhäuser, sind fürs Getue gemacht. Darum liebe ich solche Räume, die einem nicht verzeihen, wenn man nur so tut, als ob.« Umgekehrt: Dieser Absolutheitsanspruch ist Getue, etwa wie auch dieser Satz: »(A)uf die Frage, ob Maschinen eine Seele haben, eine einfache Antwort: ›Ich glaube schon. Sie wurden ja von Menschen gemacht.‹« Ein Toilettendeckel oder eine Atombombe wurden auch von Menschen gemacht. Die im Artikel geschilderten Gegenstände, Klangerzeugungsmethoden werden vom Menschen nach seinem Empfinden und nach seinen Vorstellungen eingesetzt. Darin zeigen sich dann je nach Qualität der Komposition Seele bzw. seelische Defizite des Schöpfers des Werkes, nicht etwa die Seele der eingesetzten technischen Hilfsmittel. Eine Violine hat keine Seele, aber die Komponisten, Geiger und Zuhörer. Man kann all die geschilderten technischen Hilfsmittel ja durchaus einsetzen, wenn man dabei nicht allzu sehr die Verbindung zur Natur aufgibt. Wenn sich zwei Flächen gegenseitig berühren, ergibt dies häufig Klang, sei es, wenn der Wind um die Ecke pfeift oder im Bett. Für diese Erkenntnis brauchen wir keinen Artikel, der zwar verständlich beginnt, sich dann aber mehr und mehr in einem »Getue« schwerverständlicher Formulierungen verstrickt. Die Klassiker werden nur deshalb auch noch nach Jahrhunderten für ein weltweit interessiertes Publikum gespielt, weil sie nach den gleichen Prinzipien und Proportionen aufgebaut sind, die die Natur vorgibt, wie unser Körper gebaut ist, was er braucht, um im Gleichgewicht zu sein, wie ein Baum gewachsen ist. Die natürlichen Kontraste von Ruhe und Bewegung, Hell und Dunkel, die Methoden der Natur für Kontinuität (Erhaltung der Spannung) zu sorgen, finden sich sowohl in allen klassischen Partituren als auch in jedem Garten. Deshalb sind diese Stücke spannend, weil sie nicht klüger als die Natur sein wollen. Der Einsatz neuer technischer Mittel oder eines ungewöhnlichen Instrumentariums entbindet nicht von der Pflicht, weiter von der Natur und den Klassikern zu lernen.

Fred Buttkewitz, Ulan-Ude

Jahrelang wurde Leo Kofler eine ordentliche Professur verwehrt. Er ›tingelte‹ durch diverse Volkshochschulen und hatte Vertreter der ›Schlapphüte‹ als ständige Gäste im Auditorium.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

  • Leserbrief von Dr. med. Ralf Cüppers aus Flensburg (5. September 2024 um 02:46 Uhr)
    Abschiebung ist Verletzung der Menschenwürde: Es ist nichts darüber bekannt, dass der Mörder von Solingen vor seiner Greueltat sich irgendetwas hatte zu Schulden kommen lassen. Es war ein junger Mann, der ohne vernünftigen Grund abgeschoben werden sollte. Einzig der Rassismus der Gesetzgeber und Behördenvertreter wäre die Erklärung. Die Botschaft lautet: Du kannst deutsch lernen, Du kannst Dich integrieren, kannst Dich anstrengen so viel Du willst, und es nützt Dir alles nichts, wir wollen Dich trotzdem nicht. Dadurch hatte er nichts mehr zu verlieren. Hätten wir diesem jungen Mann einen Ausbildungsplatz oder eine Arbeit vermittelt und ihm gesagt, solange Du zuverlässig dieser Arbeit nachgehst, bleibst Du sicher bei uns, dann hätte er einen guten Tariflohn und eine Lebensperspektive hier bei uns. Es erscheint höchst unwahrscheinlich, dass jemand in gesicherten Lebensverhältnissen eine so sinnlose Mordtat begeht. Also gehört nicht nur der Mörder vor Gericht. Wer die Abschiebung veranlasst und unterschrieben hat, muss als Anstifter ebenso auf die Anklagebank.