»Erst raus aus Kursk«
Von Reinhard LauterbachBevor sich die ukrainische Armee nicht aus dem Kursker Gebiet zurückziehe oder von Russland mit Gewalt von dort vertrieben sei, werde es keine Gespräche geben. Diese neue Vorbedingung für Waffenstillstandsverhandlungen nannte der russische Präsident Wladimir Putin am Montag bei einem Auftritt vor Schulkindern aus der sibirischen Region Tuwa, die auf Hauptstadtbesuch waren. Russland sei dabei, mit »den ukrainischen Banditen aufzuräumen«, sagte Putin weiter.
Am frühen Montag morgen richteten russische Raketen und Drohnen Schäden an dem Rüstungsbetrieb »Artjom« nahe der Kiewer Innenstadt und offenbar auch am Gebäude der regionalen Militärverwaltung an. Bilder, die die Behörde am Montag ins Netz stellte, zeigen schwere Verwüstungen und eingestürzte Geschossdecken. Angriffe gab es auch auf Industrieanlagen in Charkiw und Poltawa. Das Moskauer Verteidigungsministerium behauptete, es seien »Ziele des militärisch-industriellen Komplexes« getroffen worden. Die Bilder der Gegenseite zeigen in erster Linie Schäden an Einfamilienhäusern oder Wohnblocks.
An der Front im Donbass erhöht Russland offenbar den Druck auf die Stadt Wugledar im Bezirk Donezk. Die wichtigste Versorgungsroute dorthin ist seit dem Wochenende unterbrochen, jetzt hat die Ukraine anscheinend mehrere Bataillone abgezogen und an den Pokrowsker Frontabschnitt verlegt. Bild-Frontkorrespondent Julian Röpcke berichtete aus Gesprächen mit ukrainischen Soldaten, dass diese die Befehle ihrer Vorgesetzten nicht mehr verstünden und sich geistig schon darauf vorbereiteten, sich in absehbarer Zeit bis zur Millionenstadt Dnipro zurückziehen zu müssen.
In der Öffentlichkeit des Landes mehren sich derweil kritische Publikationen über Armeebefehlshaber Olexander Sirskij. Demnach habe dieser mit dem Angriff im Kursker Gebiet einen schweren militärischen Fehler begangen. Möglicherweise ist dies der Auftakt dazu, ihn des Amtes zu entheben, um Präsident Wolodimir Selenskij politisch aus der Schusslinie zu holen. Anscheinend bereitet auch der frühere Armeebefehlshaber Walerij Saluschnij ein politisches Comeback vor. In diesen Tagen ist der erste Band einer Biographie des Generals erschienen, worin er sich kritisch über Entscheidungen des Präsidenten äußert. Anfang des Jahres war er von Selenskij auf den Posten des Botschafters in London abgeschoben worden.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Ulf G. aus Hannover (4. September 2024 um 14:38 Uhr)Am 13.8. konnte man in der jW lesen, dass Selenskij die Kursk-Offensive »gegen den Rat seiner Generäle« angeordnet hätte, und nun heißt es, dass sein Offizier Sirskij für diese Fehlentscheidung Selenskijs den Kopf hinhalten soll? Sieht ganz nach Bauernopfer aus. Den Kleinen hängt man wieder einmal und den Großen lässt man laufen? Auf dieselbe Weise ist bereits der Vorgänger Saluschnij abgesägt worden. Saluschnij war anders als Selenskij für den Rückzug aus Bachmut und Awdijiwka, um die von den USA geforderte Offensive gegen die Landbrücke von Russland zur Krim leisten zu können. Beide Male ist/war die ukrainische Armee mit der doppelten Aufgabenstellung überfordert. Den Donbass zu halten und gleichzeitig Kursk zu erobern, dafür ist die ukrainische Armee zu schwach, wie sie auch schon nicht gleichzeitig Bachmut halten und zum Asowschen Meer durchstoßen konnte. Selenskij will da mehr als die Armee leisten kann. Das hat er mit dem Gröfaz gemeinsam, der sich ebenfalls in der Augustkrise in die Pläne seiner Generäle einmischte und so einen »erfolgreichen« Vorstoß auf Moskau vereitelte. Der Wahnsinn hat manchmal eben auch seine guten Seiten. Schon Sun Tsu wusste: »Siegen wird der, der militärisch fähig ist und nicht mit der Einmischung seines Herrschers rechnen muss.« Sun Tsu schreibt auch: »In all deinen Schlachten zu kämpfen und zu siegen ist nicht die größte Leistung. Die größte Leistung besteht darin, den Widerstand des Feindes ohne einen Kampf zu brechen.« Den Widerstand der Donbass-Autonomisten zu brechen, das wäre eigentlich mit der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen unblutig machbar gewesen. Schade, dass man statt dessen seit Mitte Februar 2022 massiv auf militärische Eskalation im Donbass gesetzt hatte und so den russischen Kriegseintritt provozierte.
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