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Aus: Ausgabe vom 03.09.2024, Seite 4 / Inland
Migrationspolitik

Union will Rechtsruck

Vor Bund-Länder-Gesprächen zu Migrationspolitik: CDU/CSU fordern härteren Kurs gegen Einwanderer
Von Kristian Stemmler
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Hauptsache raus: Alle wollen »Ausländer« loswerden, zur Not auch nach Afghanistan (Leipzig, 30.7.2019)

Vor dem Gipfeltreffen von Union, Bundesregierung und Ländern zur Migrationspolitik am Dienstag haben sich CDU und CSU bemüht, den Druck auf die Ampelkoalition hochzuhalten und eine weitere Verschiebung nach rechts zu forcieren. So forderte Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Sonntag) »eine Zeitenwende in der Migrationspolitik«. Das Land habe »ein Terrorproblem bei der Migration«, sagte Rhein mit Blick auf den Messerangriff von Solingen, darauf müsse die Ampel regieren. Hessen vertritt bei dem Gipfeltreffen die Unionsländer. Rhein listete die Forderungen der Union an die Ampelkoalition auf. So erklärte er, der Bund müsse »die Kontrollen an den Binnengrenzen fortsetzen und endlich anfangen, an den Grenzen konsequent zurückzuweisen«. Die sogenannten Dublin-Regeln auf EU-Ebene müssten konsequent umgesetzt werden. Das Dublin-Verfahren besagt, dass Asylverfahren in dem EU-Land stattzufinden haben, in das Geflüchtete zuerst eingereist sind. Rhein forderte zudem, mehr Herkunftsstaaten als »sicher« einzustufen und auch nach Afghanistan und Syrien abzuschieben.

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion Alexander Throm (CDU) meldete sich mit einem anderen Vorschlag zu Wort. Die geplante Kürzung der Leistungen von Asylsuchenden für Dublin-Fälle, die Bestandteil des von der Ampel vorgelegten »Sicherheitspakets« ist, müsse »selbstverständlich auf andere Gruppen ausgeweitet werden«, erklärte er am Montag gegenüber Welt. Allen Ausreisepflichtigen sollten demnach die Leistungen drastisch gekürzt werden, »auch für diejenigen, die eine Duldung haben«. Ziel müsse sein, ihnen nur noch ein Überbrückungsgeld zur Verfügung zu stellen, »damit sie die Ausreise vollziehen können«, so Throm.

Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) äußerte sich skeptisch zu den bevorstehenden Bund-Länder-Gesprächen und warnte die Ampel vor einem Scheitern. »Wenn am Dienstag bei diesem Migrationsgipfel nur über das gesprochen wird, was letzte Woche vorgestellt worden ist von der Ampel, dann brauchen wir uns nicht treffen«, erklärte er am Sonntag abend gegenüber Welt TV. Er könne bislang nicht erkennen, dass die Ampel bereit sei, über das »eigentliche Problem« zu sprechen, nämlich »die einfach zu große Zahl von irregulärer Migration nach Deutschland«. Das Wort »begrenzen« oder »Grenze« sei in dem Papier der Ampel für den Gipfel nicht zu finden. Die Union könne die Hand nicht zu »irgendeinem Pseudokompromiss« reichen, wo »wir morgens Pressekonferenz machen, alle tiefe Augenringe haben, am Ende sagen: Wir haben gekämpft, ist schwer für uns alle, aber das Problem wird nicht gelöst«, so Spahn.

Die Bundesregierung bemühte sich unterdessen, die Erwartungen an das Treffen zu dämpfen. »Ich würde eher dafür plädieren, jetzt erst mal abzuwarten und nicht im Vorhinein hier große Erwartungen zu formulieren«, so die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Montag in Berlin. Der Termin soll im Bundesinnenministerium stattfinden, nach Angaben der Unionsfraktion um 15 Uhr. Für die Bundesregierung sollen Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sowie Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) teilnehmen. Ein Sprecher des von Annalena Baerbock (Grüne) geführten Außenministeriums erklärte, die grüne Regierungsseite sei ebenfalls eingebunden. Das Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) und das Auswärtige Amt arbeiteten Hand in Hand.

Nach dem mutmaßlich islamistisch motivierten Messerangriff in Solingen am 23. August hatte die Bundesregierung ein »Sicherheitspaket« mit geplanten Maßnahmen vorgestellt und Gespräche zwischen Bund und Ländern zum Thema angekündigt. Das Paket soll laut dem Innenministerium »wesentliche Grundlage« für das Treffen am Dienstag sein. Bei diesem handele es sich um ein »vertrauliches Arbeitsgespräch«, eine anschließende Unterrichtung der Presse sei nicht vorgesehen.

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