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Aus: Ausgabe vom 03.09.2024, Seite 6 / Ausland
Äthiopien

Wenn zwei sich streiten

Äthiopischer Meerzugang: Dschibuti bietet Hafen an. Ägypten spielt Schutzmacht Somalias
Von Gerrit Hoekman
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Könnte demnächst dem Binnenland Äthiopien als Zugang zu einem Hafen dienen: Die Stadt Tadjoura in Dschibuti (20.4.2024)

Äthiopien ist der bevölkerungsreichste Binnenstaat der Welt. Weil es keinen Zugang zum Meer besitzt, beabsichtigt seine Regierung angeblich, 20 Kilometer Küste im benachbarten Somaliland zu pachten, um dort einen eigenen Seehafen zu bauen. Dafür, so heißt es, stellt Äthiopien die diplomatische Anerkennung der Republik Somaliland in Aussicht, die sich 1991 von Somalia lossagte. Somalia reagiert wütend. Jetzt will das kleine Dschibuti den eskalierenden Streit schlichten und bietet Äthiopien seinen Hafen Tadjoura an, berichtete Voice of America (VOA) am Sonnabend.

Äthiopien nutzt für seine Importe schon länger vier Terminals in Tadjoura, das etwa 100 Kilometer von der Grenze entfernt liegt. Dschibutis Außenminister Mahmud Ali Yussuf sagte in einem Interview mit VOA, Dschibuti werde Äthiopien einen nagelneuen Hafen in Tadjoura und einen Korridor zu seiner Nordgrenze zur Verfügung stellen. »Dschibuti ist sogar bereit, eine gemeinsame Verwaltung des Hafens mit Äthiopien in Betracht zu ziehen«, so Yussuf.

Die Lage am Horn von Afrika ist kompliziert. Somalia erhebt weiterhin Anspruch auf Somaliland. Anerkannt wird die abtrünnige Region bislang nur von Taiwan. Das Anfang des Jahres zwischen Äthiopien und Somaliland unterzeichnete »Memorandum of Understanding« hält Somalia für einen eklatanten Angriff auf seine staatliche Integrität. Als Reaktion verwies es den äthiopischen Botschafter des Landes und rief seinen eigenen Vertreter aus Addis Abeba zurück.

Auch die afrikanische Großmacht Ägypten hat sich erneut in den Konflikt eingemischt: Am 14. August vereinbarte sie mit Somalia einen militärischen Sicherheitspakt. »In Ägypten habt ihr Freunde und Brüder, auf die ihr euch verlassen könnt«, versicherte Präsident Abdel Fattah Al-Sisi seinem somalischen Amtskollegen Hassan Scheich Mahmud bei der Unterzeichnung in Kairo.

Vergangenen Dienstag sollen laut Reuters zwei ägyptische Flugzeuge in der somalischen Hauptstadt Mogadischu gelandet sein. An Bord: Waffen, Munition und angeblich 300 Mann einer Spezialeinheit. Es wäre die erste Waffenlieferung aus Kairo an Somalia seit über 40 Jahren. Die Tageszeitung The National aus Abu Dhabi berichtete am Donnerstag, Kairo habe für die nahe Zukunft die Lieferung von gepanzerten Fahrzeugen, Raketenwerfern, Panzerabwehrraketen, Radargeräten und Drohnen zugesagt.

Ägypten will sich offenbar mit einigen tausend Soldaten an AUSSOM beteiligen, der dritten sogenannten Friedensmission der Afrikanischen Union in Somalia. Sie beginnt am 1. Januar 2025. Falls die Vereinten Nationen zustimmen. Die Mission soll die islamistische Schabab-Miliz in Schach halten, die in Somalia ihr Unwesen treibt. AUSSOM wird ATMIS ersetzen, für die Äthiopien seit 2022 mit einigen tausend Soldaten im Einsatz ist. Die Hilfe scheint nicht selbstlos: 2022 drangen die Islamisten von Somalia aus über 100 Kilometer tief nach Äthiopien ein. Sie konnten sich in den Bergen von Bale festsetzen. Angeblich sollen sie dort bis heute Terroranschläge verüben. Das äthiopische Militär verneint das.

»Aufgrund der Spannungen mit Somalia wird Äthiopien wahrscheinlich keine Truppen stellen, Ägypten hingegen schon«, analysierte das südafrikanische Institute for Security Studies am Donnerstag. Diese Entwicklung kann Äthiopien nicht gefallen. »Alle, die für die Vorbereitung und Genehmigung einer neuen Unterstützungsmission verantwortlich sind, müssen die berechtigten Bedenken der Länder der Region und der Truppenstellerländer berücksichtigen. Kräfte, die versuchen, für ihre kurzfristigen Ziele Spannungen zu schüren, müssen die schwerwiegenden Folgen tragen«, zitierte die Wochenzeitung East African aus Kenia am Mittwoch das Außenministerium in Addis Abeba. Statt weiter auf diplomatischem Weg an der Beilegung der Meinungsverschiedenheiten mitzuwirken, »konspiriert die somalische Regierung mit externen Akteuren«. Auch ohne dass Ägypten namentlich erwähnt wird, ist klar, wer gemeint ist.

Neben Dschibuti bemüht sich die Türkei um eine friedliche Beilegung des Streits. Bereits zweimal trafen sich beide Seiten in der türkischen Hauptstadt Ankara. Voraussichtlich am 17. September startet die dritte Runde.

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