Kiew will Transit stoppen
Von Knut MellenthinEine Meldung, dass die Ukraine ab dem 1. Januar nächsten Jahres kein russisches Erdöl mehr in andere europäische Länder weiterleiten werde, sorgte am Freitag für Verwirrung. Betroffen wären davon gegenwärtig Österreich, Ungarn, die Slowakei und Tschechien, die über den Südarm der »Druschba«-Pipeline beliefert werden. Die Nachrichtenagentur dpa hatte Aussagen von Michajlo Podoljak, der als Berater des Präsidentenbüros in Kiew bezeichnet wird, aus einem Interview verbreitet. Gegenüber dem Sender Nowini Live hatte er zunächst richtig dargestellt, dass die Ukraine mit dem Jahreswechsel kein russisches Erdgas mehr in andere europäische Länder weiterleiten werde. Das hatte Präsident Wolodimir Selenskij am Dienstag voriger Woche bekanntgegeben. Der 2019 geschlossene Vertrag zwischen den Staatskonzernen Naftogas und Gasprom laufe dann aus, und die Ukraine werde ihn nicht erneuern.
Sein Land sei aber bereit Erdgas aus nichtrussischen Quellen, beispielsweise aus zentralasiatischen Ländern, fließen zu lassen, sagte Podoljak in besagtem Interview. Er fuhr fort: »Ich möchte Sie daran erinnern, dass neben dem Gas auch die Ölpipeline Druschba ab dem 1. Januar 2025 nicht mehr in Betrieb sein wird.« Die betroffenen Länder müssten nun gemäß einer EU-Entschließung – worauf er sich bezog, ist unklar – »Wege finden, um ihre Öllieferungen zu differenzieren«. Einige Stunden später korrigierte Podoljak, die bestehenden Verträge würden eingehalten, und einige von diesen liefen noch bis 2029. Die Ukraine wolle der EU aber helfen, ihre Importe zu differenzieren und sich unabhängig von russischem Erdöl zu machen.
Russland kritisierte Selenskijs Ankündigung scharf. »Eine solche Entscheidung der Ukraine wird den Interessen der europäischen Verbraucher, die weiterhin russisches Gas kaufen wollen, ernsthaft schaden«, sagte Präsidentensprecher Dmitri Peskow. »Sie werden einfach mehr bezahlen müssen, was ihre Industrie weniger wettbewerbsfähig machen wird.«
Unabhängig von Podoljaks zunächst falscher Aussage gibt es aber tatsächlich einen Streit zwischen Ungarn und der Slowakei einerseits und der Ukraine andererseits über den Erdöltransit aus Russland. Betroffen sind davon aber nur Lieferungen, die dem russischen Konzern Lukoil gehören, gegen den Kiew im Juli Sanktionen verhängt hat. Für andere Unternehmen wie Rosneft und Tatneft gilt das Verbot nicht.
Hinsichtlich der Lukoil-Lieferungen baten Ungarn und die Slowakei die EU-Kommission darum, sich als Vermittlerin einzuschalten und »mit der Ukraine zu sprechen«. Die Kommission lehnt das mit der Begründung ab, es gebe keinen Grund für dringende Beratungen, weil »ein Risiko für die Energiesicherheit Europas« nicht zu erkennen sei. Schließlich könne immer noch russisches Erdöl durch die Ukraine fließen, sofern nicht Lukoil der Besitzer sei.
Es gibt zwar einen EU-Beschluss, der den Bezug von russischem Erdöl über See verbietet, aber keine analoge Entscheidung gegen den Import per Pipeline. Dass die BRD seit dem 1. Januar 2023 auf russisches Erdöl verzichtet, ist nur ein gemeinsamer Alleingang mit Polen. Auch die Einfuhr von russischem Erdgas ist nicht verboten. Es überraschte daher bedingt, dass dpa am Sonntag mit Verweis auf einen Bericht des Beratungsfirma Bruegel meldete, die Staaten der Gemeinschaft hätten im zweiten Quartal des Jahres insgesamt mehr Gas aus Russland als aus den USA bezogen. Die Zahlen liegen allerdings nahe beieinander: 12,7 Milliarden Kubikmeter aus Russland, 12,3 Milliarden aus den USA. An erster Stelle als Gaslieferant der EU liegt weit vorn Norwegen mit 23,9 Milliarden Kubikmeter. Der CDU-Politiker Norbert Röttgen forderte dann in der Welt ein Importverbot von russischem Erdgas für die gesamte EU. Daran wird schon seit Monaten gearbeitet.
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