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Aus: Ausgabe vom 03.09.2024, Seite 16 / Sport
Radsport

Zur allgemeinen Verwunderung

Radsport: Die zweite Woche der Vuelta 2024
Von Holger Römers
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Inzwischen weit zurückgefallen: Der Österreicher Felix Gall (vorne)

Nachdem in Andalusien wiederholt 40 Grad Celsius übertroffen worden waren, brachte der Transfer in den spanischen Nordwesten dem Fahrerfeld der 79. Vuelta a España relative Abkühlung. Allerdings war die zweite Rennwoche noch mehr von den bergigen Streckenprofilen geprägt, die diese dreiwöchige Radrundfahrt so anstrengend machen. Um so verrückter, dass am Sonnabend ein »reinrassiger« Sprinter eine Bergetappe gewann: Obwohl kurz vorm Ziel ein Anstieg der ersten Kategorie zu bewältigen war, setzte sich Kaden Groves (Alpecin/Deceuninck) im Massensprint gegen Wout van Aert (Team Visma/Lease a Bike) durch. Dessen Mannschaft hatte die Einholung einer Spitzengruppe besorgt, während Bergspezialisten und Klassementfahrer auf Angriffe verzichteten – wohlwissend, dass sich in den kommenden Tagen genug Gelegenheiten bieten würden.

Dass Visma Tempoarbeit für van Aert leistete, ist bezeichnend für die Vernachlässigung des eigentlichen Kapitäns der Mannschaft: Der US-amerikanische Vorjahressieger Sepp Kuss ist als aktueller Zwölfter kontinuierlich unterm Radar geblieben. Sein belgischer Kollege durfte indes auch wiederholt ausreißen und erzielte so am Montag seinen dritten Etappensieg. Während ihm das Grüne Trikot des Punktbesten kaum noch zu nehmen ist, sammelte van Aert nebenbei auch genug Bergpunkte, um nomineller Träger des Gepunkteten Trikots zu sein.

In dieser Sonderwertung liegt allerdings der Australier Jay Vine gleichauf, was wiederum symptomatisch dafür scheint, dass auch das »UAE Team Emirates« der Gesamtwertung – nach dem Ausscheiden João Almeidas – wenig Beachtung schenkt. Sofern die Mannschaft am Sonntag mit hektischen Angriffen von Vine, Marc Soler und Pavel Sivakov die Plazierung von Letzterem nennenswert verbessern wollte, ging die unkonventionelle Taktik jedenfalls kaum auf: Indem der Franzose als Ausreißer Tagesdritter wurde, verdrängte er im Klassement bloß den britischen Kollegen Adam Yates vom zehnten Rang.

Etappensieger wurde Pablo Castrillo (Equipo Kern Pharma), der drei Tage zuvor solo seinen ersten Profierfolg errungen hatte. Am Sonntag musste der spanische Shooting Star sich auf absurd steilen Schlusskilometern eines späten Konters von Alexander Wlassow (Red Bull/Bora/Hansgrohe) erwehren. Dass der Russe schmerzverzerrt um den Tagessieg kämpfte, war indes dem Umstand geschuldet, dass die Taktik seines Kapitäns nur halb funktioniert hatte: Zwar hatte Primož Roglič den erwarteten Angriff gestartet, den Florian Lipowitz in der Favoritengruppe punktgenau vorbereitet hatte (wobei die eigene Tempoarbeit den Deutschen nicht daran hinderte, auf Gesamtplatz sechs vorzurücken und wieder ins Weiße Trikot des besten Jungprofis zu schlüpfen). Allerdings konnte der dreifache Vuelta-Sieger nicht zum Ausreißertrio aufschließen, sondern wurde statt dessen von Enric Mas (Movistar Team) eingeholt. So untermauerte der 29jährige Spanier seinen dritten Gesamtrang, auf dem er jetzt gut eine Minute hinter Roglič liegt.

Der 34jährige Slowene hat seinerseits das Rote Trikot noch nicht von Ben O’Connor (Decathlon/AG2R/La Mondiale) zurückerobert. Zwar konnte er den 28jährigen Australier schon am Mittwoch und am Freitag, als Eddie Dunbar (Team Jayco ­AlUla) beziehungsweise Michael Woods (Israel/Premier Tech) aus Ausreißergruppen gewannen, auf besonders steilen Abschnitten um eine halbe beziehungsweise zwei Minuten distanzieren. Doch von dessen Vorsprung ist immer noch gut eine Minute übrig – zumal die Jury am Sonntag O’Connors Zeitverlust schmälerte: Da Roglič nach einem geplanten Radwechsel allzu schamlos den Windschatten seines Teamwagens genutzt hatte, bekam er zwanzig Sekunden Zeitstrafe.

Bei Decathlon waren hingegen am Mittwoch gleich drei Fahrer und ein sportlicher Leiter mit sogenannten Gelben Karten verwarnt worden, die der Weltverband UCI neuerdings zur Verbesserung der Rennsicherheit testet. Um das Anwachsen einer Fluchtgruppe zu behindern, hatte die Mannschaft des Gesamtführenden sich allzu plump über die gesamte Straßenbreite verteilt, woraufhin der Ecuadorianer Richard Carapaz (EF Education/EasyPost) stürzte, der sich als Gesamtvierter wie auch der spanische Fünfte Mikel Landa Hoffnungen auf einen Podiumsplatz machen dürfte. Der zweite Decathlon-Fahrer, der lange in den Top ten vertreten war, handelte sich am Sonntag indes 26 Minuten Rückstand ein. Sofern nicht etwaige gesundheitliche Probleme Felix Gall zur Aufgabe zwingen, dürfte er nun endlich der Verteidigung seines Kapitäns Vorrang geben. Zur allgemeinen Verwunderung hatte der Österreicher zwei Tage vorher den strauchelnden O’Connor am Schlussanstieg zurückgelassen.

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