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Aus: Ausgabe vom 04.09.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Konflikt in Osteuropa

Heute Kohle, morgen Lithium

Ukraine-Krieg: Die Schlacht um Pokrowsk aus wirtschaftlicher Sicht
Von Reinhard Lauterbach
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Russland erhöht das Tempo: Im Donbass befindet sich die Ukraine auf dem Rückzug (Nowoschelanne, 21.8.2024)

Als vor einigen Tagen in der Neuen Zürcher Zeitung eine Reportage aus der Donbass-Frontstadt Pokrowsk erschien, notierte der Autor, dass der einstmals reichste Ukrainer, Rinat Achmetow, Bergleute seiner dortigen Schächte mit Baggern und anderem Gerät zum Befestigungsbau abgeordnet habe und diesen Einsatz auch aus eigener Tasche finanziere.

Was auf den ersten Blick als patriotischer Beitrag erscheint, ist auf den zweiten eine Aktion auch im ökonomischen Eigeninteresse. Unter der Erde von Pokrowsk liegt nämlich hochwertige Anthrazitkohle, die zu Koks verarbeitet und dann in der Stahlverhüttung genutzt wird. Es ist das derzeit einzige Bergwerk dieser Art, das noch unter ukrainischer Kontrolle steht. Ein weiteres hat der im Bezirk Lugansk liegenden Stadt Antrazit ihren Namen gegeben und steht der Ukraine somit nicht mehr zur Verfügung. Achmetow kämpft also in Pokrowsk auch um den bescheidenen Rest seiner Bergbausparte, die ihn vor dem Krieg zum reichsten Menschen der Ukraine gemacht hat.

Der Export von Stahl und anderen Produkten der Metallurgie ist neben dem von Getreide einer der wesentlichen Wirtschaftszweige, mit denen die Ukraine Devisen verdient und mit dem Achmetow, dessen Geschäftsimperium auf der Schwerindustrie beruht, seinen inzwischen geschrumpften Profit macht. Ein zweiter Geschäftszweig des Achmetow-Imperiums sind bzw. waren die Kohlekraftwerke. Sie sind allerdings inzwischen zu geschätzten 90 Prozent zerstört und können somit weder der Ukraine Strom liefern noch Geld auf Achmetows Konten spülen.

Theoretisch könnte die Ukraine zwar Anthrazitkohle auf dem Weltmarkt kaufen, aber das wäre teurer, und die Kohle müsste über das Schwarze Meer antransportiert werden. Außerdem sind schon in den ersten Jahren des Krieges um den Donbass ukrainische Versuche, sich von der dort geförderten Kohle unabhängig zu machen und Ersatz aus Südafrika oder Kolumbien zu importieren, nach kurzer Zeit an der fehlenden Zahlungsmoral der ukrainischen Abnehmer gescheitert: Es hat einfach niemand mehr geliefert. Auf jeden Fall droht jetzt der ukrainischen Hüttenindustrie, die sich nach dem Verlust von Mariupol auf das im Dniprobogen gelegene Kriwij Rig und um die dortigen Eisenerzvorkommen stützt, der Stillstand.

Nach dieser Seite ist Pokrowsk also eine typische Stadt der »alten« Industrie, und man könnte denken, dass Russland von einer Eroberung der Stadt wenig zu gewinnen hätte. Was den Ort aber ökonomisch auch für die Zukunft bedeutsam macht, sind größere Vorkommen an Lithium und anderen Mineralien aus der Gruppe der sogenannten seltenen Erden. Sie sind bisher erst nachgewiesen, aber noch nicht erschlossen. Damit sollte begonnen werden, aber dann kam der Krieg, und ein australisches Unternehmen, das sich vor dessen Beginn um eine Konzession zum Abbau bemüht hatte, hat sich inzwischen wegen der unsicheren Lage zurückgezogen.

Gleichwohl hat der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter diese Rohstoffe schon vor Monaten als wesentliches Kriegsmotiv des Westens benannt: Die Ukraine müsse sich militärisch behaupten, erklärte Kiesewetter um den Jahreswechsel 2023/2024 in mehreren Interviews. Denn es müsse verhindert werden, dass Russland diese Vorkommen in die Hand bekomme und den Ertrag am Ende noch mit China teile. Womöglich tritt es trotzdem genau so jetzt ein. Ukrainische Soldaten äußerten zuletzt in sozialen Netzwerken die Meinung, der Fall von Pokrowsk sei eine Frage weniger Wochen.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Rainer Erich K. aus Potsdam (4. September 2024 um 14:47 Uhr)
    Wer es immer noch nicht begriffen hat, dass es weder um Völkerrecht, Menschenrechte, Freiheit oder gar Demokratie geht, den der Westen suggeriert, in der Ukraine zu verteidigen, sondern um handfeste kapitalistische Interessen, dem ist nicht mehr zu helfen. Bodenschätze waren schon immer der Grund, die Kriegstreiber wie Kiesewetter oder Kriegsverbrecher, wie Hitler, gerne hinter salbadernden Phrasen zu verbergen hofften. Kohle, Erdöl und heute Lithium sind die Gründe, für die der kollektive Westen bereit ist, Abermilliarden Dollar in ein Kriegsabenteuer zu investieren und Hunderttausende junge Ukrainer zu opfern. Alles Geschwafel, das davon abweichend oder ablenkt, ist Kriegspropaganda.

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