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Aus: Ausgabe vom 04.09.2024, Seite 4 / Inland
Neuaufstellung der Linkspartei

»Wir« und die anderen

Der passende Kandidat: In Berlin stellte Jan van Aken sein neues Buch vor
Von Nico Popp
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Jan van Aken spricht auf dem Sommerfest der Bürgerschaftsfraktion in Hamburg (24.8.2024)

Jan van Aken will im Oktober Kovorsitzender der Linkspartei werden. Und er hat ein Buch geschrieben – nicht über die Partei, sondern darüber, »wie Kriege enden und Frieden verhandelt werden kann«. Bei der Vorstellung am Montag abend im schmucken Neubau der Rosa-Luxemburg-Stiftung am Berliner Ostbahnhof ist der Saal gut gefüllt. Viele Zuhörer sind sicher hier, weil sie vom mutmaßlichen nächsten Parteichef ein paar Worte über seine politischen Positionen und zur Lage der Partei hören wollen.

Aber darauf warten sie vergeblich. Die Taz-Chefredakteurin Ulrike Winkelmann, die mit van Aken über das Buch spricht, betont zu Beginn, sie habe bereits im Mai die Moderation zugesagt, als von »irgendwie in Aussicht stehenden Parteiämtern« noch keine Rede war. Über diese Dinge wolle man folglich auch gar nicht sprechen. Krieg und Frieden ist freilich das Thema der Stunde, und van Aken, der aktuell bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung beschäftigt ist, wird sich darüber klar sein, dass er gerade zu diesem Thema auch als Kandidat für den Parteivorsitz spricht.

Winkelmann ist als Gesprächspartnerin eine ziemlich sonderbare Wahl. Ihre Fragen, die sie offenbar als kritisch verstanden wissen will, entwickeln sich aus einer nahezu totalen gedanklichen Identifikation mit dem deutschen Regierungsstandpunkt bzw. mit Maßstäben und Kategorien des »Westens«. Unablässig spricht sie von »wir«, wenn es um deutsche Außenpolitik geht – eine konsequent antikritische Perspektive, die Winkelmann allem Anschein nach aber nicht mal im Ansatz für ein Problem hält. Sie hat auch ideologisch die komplette Feinderklärung verinnerlicht: Als sie einmal davon spricht, dass in Russland »Menschenleben weniger wert« seien und russische Soldaten deshalb mit schlechtem Material ins Feld geschickt würden – und damit versucht, die Feststellung van Akens zu relativieren, dass die westeuropäischen NATO-Staaten deutlich mehr für Rüstung ausgeben als Russland –, schütteln viele Zuhörer ungläubig mit dem Kopf.

Schnell will Winkelmann – »Und es war immer klar, wir müssen jetzt bald liefern« – von van Aken wissen, warum er vor zehn Jahren, als der IS im Nahen Osten auf dem Vormarsch war, gegen Waffenlieferungen an »die Kurden« war. Er reagiert hier und später mit einem Plädoyer für nichtmilitärische Konfliktlösungen. Damals zum Beispiel habe die Bundesregierung die (nicht genutzte) Möglichkeit gehabt, durch Einwirkung auf Katar die Finanzströme an den IS und durch Einwirkung auf die Türkei den Zustrom von islamistischen Militanten zu stoppen.

Dann konstatiert Winkelmann, dass van Aken in seinem Buch davon spreche, dass »wir« auch mit Blick auf den Ukraine-Krieg diplomatische und zivile Optionen gehabt hätten, um »Schlimmeres zu verhindern«. Der Parteivorsitzende in spe bekennt sich auch hier zum »Primat des Zivilen«.

Allerdings fällt auf, dass van Akens Antimilitarismus einen speziellen Zuschnitt hat. Er formuliert im Grunde keine Kritik am politischen Programm des Westens, sondern an den Methoden dieser Politik. Er hat folglich auch keine Schwierigkeiten, immer wieder in das Winkelmannsche »Wir« zu verfallen: 2014 hätten »wir« zum Beispiel »sofort über Nacht ein Ölembargo machen« müssen, denn »das hätte sie wirklich getroffen«. Waffenlieferungen an Kiew lehnt van Aken ab. Diese Frage sei aber gar nicht die entscheidende. Wichtiger sei, wie man – und hier sei China wichtig – schnell zu Friedensverhandlungen komme. Die Friedensforschung zeige klar, dass das, wenn man den Konflikt nur militärisch betrachte, viele Jahre dauere.

Jan van Aken ist ohne Zweifel wesentlich eloquenter als die Leute, die sich in den vergangenen Jahren an der Spitze der Partei Die Linke ausprobiert haben. Vielleicht ist er sogar der passende Vorsitzende für diese Partei, wie sie im Jahre 2024 nun einmal beschaffen ist. Mit ihrer Verwandlung in ein Forum für kritische Politikberatung, die nicht Ziele und Zwecke, sondern die Methoden der herrschenden Politik attackiert, käme die Entwicklung der vergangenen Jahre jedenfalls zu einem konsequenten Abschluss.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Manfred G. aus Manni Guerth (3. September 2024 um 19:55 Uhr)
    Um nix zu verändern braucht man Worte und Bücher, um was zu verändern braucht man Taten. Sinngemäß Ernst Thälmann.

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