Chefsache Bahnzerschlagung
Von Alexander ReichSeit Jahrzehnten wird die Deutsche Bahn (DB) kaputtgespart, nun ist sie reif für die Zerschlagung. Untrügliches Anzeichen: Bundesverkehrsminister Volker Wissing hat die »Sanierung« des Staatskonzerns am Dienstag zur Chefsache erklärt. »So schnell wie möglich« müssten ihm »konkrete« Sparpläne mit präzisen Zahlen vorgelegt und Verantwortliche für das Erreichen der Ziele genannt werden, erklärte der FDP-Politiker bei einem Pressetermin in Berlin. Die Verantwortlichen müssten ihm regelmäßig Bericht erstatten: »Ich persönlich werde sofort unterrichtet, wenn es eine Zielabweichung gibt in einem Quartal.«
Einstweilen hat der Konzern den Abbau von rund 30.000 Stellen in der Verwaltung über fünf Jahre angekündigt. Für die Sanierung werde das aber wohl nicht ausreichen, hieß es dazu. Wissing verkündete am Dienstag zwar keine neue Zielvorgabe für Massenentlassungen, bestätigte aber, dass durch Jobvernichtungen »Effizienzen gehoben werden« müssten.
Neben den Zielvorgaben für die weitere »Verschlankung« des Konzerns soll es auch welche für die Auslastung der Züge im Fernverkehr geben. Wie die Bahn diese erhöhe, liege in ihrer Verantwortung, sagte der Verkehrsminister. Denkbar seien niedrigere Preise für weniger ausgelastete Züge oder die Gewinnung neuer Geschäftskunden. Als wäre bei der DB noch nie jemand darauf gekommen!
Wissings PR-Attacke ist vorderhand ein Affront gegenüber dem DB-Vorstand und -Aufsichtsrat. In letzterem sind diverse Staatssekretäre als Regierungs- und Eigentümervertreter mit der Überwachung des ersteren betraut. All diese Führungskräfte bewegen sich zwar durchaus in die von Wissing gewünschte Richtung, sind ihm dabei aber nicht konsequent genug. Um in jedem Teilbereich rentabel zu werden, müssen nach dem Geschmack von Wissing noch viel mehr Jobs und unwirtschaftliche Strecken gestrichen, die Preise für die übrigen Verbindungen noch viel stärker erhöht werden. Das alles wird in den Bilanzen sicher nach hinten losgehen. Und dann bleibt »leider« nur die Privatisierung.
Bei der defizitären Güterverkehrssparte DB Cargo ist die Ampel zuletzt ein gutes Stück vorangekommen. Die Verluste dürfen nicht mehr durch »wettbewerbsschädliche« Subventionen ausgeglichen werden, wurde auf Druck der EU-Wettbewerbshüter in der vergangenen Woche beschlossen. Sollte die Tochter nicht binnen zwei Jahren schwarze Zahlen schreiben, ist die Zerschlagung kaum noch zu verhindern. Musterbeispiel ist die französische Eisenbahngesellschaft SNCF, die sich auf Druck aus Brüssel von großen Teilen ihrer Güterbahnen trennen musste.
Die Rolle der FDP bei der Zerschlagung der Bahn wurde zuletzt auch bei den Verhandlungen zum Bundeshaushalt für 2025 deutlich. Gegen die Koalitionspartner setzte Finanzminister Christian Lindner Mitte August durch, dass nur der Autobahnbau weiter mit Bundeszuschüssen gefördert wird. Die überfällige Sanierung des Schienennetzes hingegen wird nicht mehr bezuschusst. Statt dessen wird das Eigenkapital der Bahn erhöht, weil das nicht auf die Schuldenbremse angerechnet wird. Mit der Erhöhung des Eigenkapitals ist aber gesetzlich eine Erhöhung der Trassenpreise verbunden. Die Nutzung der Schienen wird also deutlich teurer: weniger Züge, höhere Ticketpreise – alles, was das liberale Herz begehrt.
Die einzige DB-Tochter, die nennenswerte Gewinne erwirtschaftet, ist die internationale Spedition Schenker. Auch zu ihr äußerte sich Wissing am Dienstag: Er erwarte »zeitnah« eine Entscheidung, an wen Schenker denn nun verkauft werde, um den Schuldenstand der DB von derzeit mehr als 30 Milliarden Euro zu senken.
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