Erbitterter Widerstand
Von Sebastian EdingerDie deutsche Industrie schmiert ab, und ein Konzern nach dem anderen versucht, die Schäfchen seiner Aktionäre mit radikalen Kürzungs- und Umbauprogrammen auf Kosten der Belegschaften ins Trockene zu holen. Das lässt sich etwa bei Thyssen-Krupp beobachten, wo sich der Kampf um die Stahlsparte seit Wochen dramatisch zuspitzt. Nun nimmt auch die Führung der Volkswagen-Gruppe das hauseigene Herzstück ins Visier: Der Sparkurs bei der Kernmarke VW soll weiter radikalisiert werden, wie Marken-CEO Thomas Schäfer die Beschäftigten am Montag wissen ließ.
Sicher ist nichts mehr. Der geltende Haustarifvertrag, die bis 2029 laufende Beschäftigungsgarantie – alles wird in Frage gestellt. Sogar die in der Konzerngeschichte ersten Werkschließungen in Deutschland will die Unternehmensführung durchsetzen: Um die 2019 selbst gesteckten und 2023 verschärften Einsparziele noch zu erreichen, müsse mindestens ein größeres fahrzeugbauendes Werk und eine Komponentenfabrik dicht gemacht werden, glaubt der Markenvorstand. Damit geraten alle Standorte in der BRD ins Visier. Erst mal wird Angst verbreitet.
Dass VW in der Krise steckt und auf die Verlustzone zusteuert, ist unstrittig. Auch das bisherige Scheitern des aktuellen »Ergebnisverbesserungsprogramms« kann niemand leugnen. Doch hinter diesem Scheitern stecken klar benennbare Fehlentscheidungen des Managements: Hybridfahrzeuge wurden zu lange für eine unbedeutende Nische gehalten; bei E-Autos wollte man nach ewigem Zögern zu schnell zu viel; wichtige technische Entwicklungen haben aus Kostengründen nicht bei VW, sondern bei Zulieferern und Wettbewerbern stattgefunden und so weiter. Die Rechnung für dieses Managementversagen soll nun den Beschäftigten präsentiert werden.
Einen Zukunftsplan, wie ihn der Gesamtbetriebsrat fordert, hat der Vorstand hingegen nicht. Dabei müssen die Konzernstrategen dringend an die großen Fragen ran: Wie geht es mit den derzeit recht begehrten Verbrennermodellen weiter? Welche Schwerpunkte setzt man bei der E-Mobilität? Wo will man künftig den Unterschied machen, worauf die Forschungs- und Entwicklungsausgaben konzentrieren? Wie müssen die Standorte weiterentwickelt werden, damit das klappt? Welche Investitionen braucht es wann? Der sture Blick auf kurzfristige Gewinnziele und den tagesaktuellen Aktienkurs löst die großen, strukturellen Probleme nicht. Auch wenn letzterem durch die Kahlschlagsankündigung am Montag nach monatelanger Talfahrt zumindest ein kleiner Schub gegeben werden konnte.
»Mit uns wird es keine VW-Standortschließungen geben«, sagt die Vorsitzende des Betriebsrats, Daniela Cavallo – und kündigte erbitterten Widerstand an. Am heutigen Mittwoch steht im Stammwerk in Wolfsburg erst mal eine Betriebsversammlung auf dem Programm, bei der sich der Vorstand gegenüber den Beschäftigten persönlich erklären muss. Dann stehen die Zeichen auf Arbeitskampf.
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