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Aus: Ausgabe vom 04.09.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Altersarmut

Schlagstöcke gegen Rentner

Argentinien: Regierung von Javier Milei legt Veto gegen Rentenerhöhung ein und streicht Schmerzmedikamente von Förderliste. Aufrufe zu Protesttag
Von Florencia Beloso, Buenos Aires
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»Ich möchte in Frieden leben« – Demonstration gegen Mileis Veto zur Rentenreform am 28. August 2024 in Buenos Aires

Das Programm der argentinischen Regierung für die umfassende medizinische Versorgung von Rentnern und Pensionären (Programa de Atención Médica Integra, PAMI) wird nicht mehr alle Medikamente vollständig abdecken. Im Juni waren bereits elf Medikamente von der Liste gestrichen worden. Diese Maßnahme ist Teil der von der rechten Regierung durchgeführten Anpassungspolitik. Hinzu kommt, dass das Gesetz zur Rentenmobilität gekippt wurde, wonach Rentnern eine Gehaltsanpassung entsprechend der Inflation und den Gehältern gewährt wurde und außerdem eine Erhöhung von 8,1 Prozent geplant war.

Etwa 2.500 Rentner marschierten am vergangenen Donnerstag vom Kongressgebäude in Buenos Aires zum Regierungssitz Casa Rosada und forderten von Präsident Javier Milei, kein Veto gegen das Gesetz einzulegen. Die Polizei ging mit Schlagstöcken und Pfefferspray gegen die Demonstration vor.

Die Kürzung der Arzneimittelversorgung ist Teil der aktuell unkontrollierten Preisanhebungen bei Medikamenten, die auf die starke Abwertung des argentinischen Peso zurückgehen. Nach Angaben des Centro de Economía Política Argentina (CEPA) sind die Preise für PAMI-Arzneimittel im Juli um 7,6 Prozent gestiegen. Der Durchschnittspreis der zehn Medikamente, deren Kosten im vergangenen Jahr am stärksten gestiegen sind, explodierte demnach um 386 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ältere Menschen sehen sich in Argentinien in einem der schlimmsten Momente der Geschichte des Landes. Mehr als fünf Millionen Rentner und Pensionäre leben nach Schätzungen von Regierungsstellen unterhalb der Armutsgrenze.

Darunter sind Patienten, die an Krankheiten wie Krebs leiden und die tägliche Einnahme von Medikamenten wie Methadon und anderen Opioiden, die auf der PAMI-Liste stehen, benötigen. Seit Juni haben sich zudem die Erstattungsbedingungen für insgesamt 1.200 Arzneimittel geändert, wovon auch andere wichtige Produkte wie Kortikoide, Virostatika, Antibiotika und entzündungshemmende Arzneien betroffen sind.

Die Abschaffung der Vollversorgung mit Medikamenten hat in den öffentlichen Krankenhäusern der Provinz Buenos Aires zu einer übermäßigen Nachfrage nach Arzneien geführt, warnte der örtliche Gesundheitsminister Nicolás Kreplak. Dieser Bezirk ist der bevölkerungsreichste des Landes. Die Regierung argumentiert, die Kürzung bei Arzneimitteln ziele auf Einsparungen ab, in der Praxis hat dies jedoch bereits zu einem schlechteren Zugang zu notwendigen Medikamenten geführt.

Die wirtschaftliche Lage des Landes hatte sich bereits direkt auf die Verfügbarkeit von Medikamenten für Rentner ausgewirkt. Die Auswirkungen der Inflation in der ersten Jahreshälfte führten auch zu einer allgemein schlechteren Gesundheit bei älteren Menschen. Nach Angaben des Büros des Bürgerbeauftragten leiden zwischen 80 und 90 Prozent an Bluthochdruck und Cholesterinproblemen. Wegen geringer Renten können sie sich die für ihre Gesundheit notwendigen Lebensmittel aber nicht leisten. Darüber hinaus hat diese Altersgruppe Schwierigkeiten, für grundlegende Dienstleistungen wie Heizung und Strom zu bezahlen. Häufig müssen sich Rentner in der Apotheke für einige Medikamente entscheiden, da ihnen das Geld für die eigentlich notwendigen fehlt.

Durch die wachsende Armut müssen viele also bereits ihre täglichen Einkäufe einschränken. Die Pharmabranche rechnet das bereits mit ein und geht von einem Umsatzrückgang von neun Prozent für das laufende Jahr aus. Die Renten sind mit am stärksten von Mileis Kürzungsplan betroffen, der seit seinem Amtsantritt am 10. Dezember 2023 in Kraft ist. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, haben die Verbände der Rentner und Pensionäre für den Tag der Rentner am 20. September zu einer großen landesweiten Mobilisierung aufgerufen.

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