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Aus: Ausgabe vom 05.09.2024, Seite 1 / Titel
Wirtschaftskrise

Tumult bei Volkswagen

Stürmische Betriebsversammlung bei VW-Wolfsburg. Absatzeinbruch der Autoindustrie. Finanzaufsicht warnt vor Bankenpleiten
Von Arnold Schölzel
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VW-Stammwerk am Mittwoch: Vor Beginn der Betriebsversammlung mit fast 10.000 VW-Mitarbeitern

Zuerst war wirtschaftliche Stagnation, dann kamen Inflation und Rezession dazu. Und jetzt häufen sich düstere Wirtschaftsnachrichten.

Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) meldete am Mittwoch für August einen Absatzeinbruch der Autoindustrie. Das kapitalnahe Ifo-Institut sah am selben Tag die Stimmung in der Branche »im Sturzflug«, Volkswagen könne die sprichwörtliche Spitze des Eisberges sein. Ebenfalls am Mittwoch forderte der Chef der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), Mark Branson, die deutschen Banken im Handelsblatt auf, sich wegen der Immobilienkrise und Firmenpleiten auf schwierigere Zeiten einzustellen. Eine tiefe Rezession wäre für die Branche problematisch. Am selben Tag verstärkte der VW-Betriebsrat den Widerstand gegen die am Montag verkündete Absicht des Konzerns, auch in der Bundesrepublik Werke zu schließen. Eine Betriebsversammlung im VW-Stammwerk Wolfsburg mit fast 10.000 Beschäftigten verlief tumultartig.

Die Nachfrage nach fahrbaren Untersätzen ist im August im Vergleich zum Vorjahresmonat eingebrochen. Laut KBA wurden 69 Prozent weniger Elektroautos neu zugelassen als damals. Das hatte mit vielen Käufen vor dem Auslaufen der Subvention für gewerblich genutzte E-Autos am 1. September 2023 zu tun. Jetzt lagen aber auch alle anderen Antriebsarten im Minus: insgesamt 27,8 Prozent.

Laut Ifo-Institut sind zudem die Aussichten der Branche mies. Besonders schwarz sehen die kommenden sechs Monate aus. Die deutsche Autoindustrie leidet demnach unter einem Mangel an neuen Aufträgen – insbesondere aus dem Ausland. Das schlage sich mittlerweile auch in der Personalplanung nieder. Die Bundesregierung reagierte am Mittwoch beflissen und hilflos: Rückwirkend zum 1. Juli gibt es Steuerminderung auch für Luxus-E-Autos als Dienstwagen. Das wird als Teil der »Wachstumsinitiative« verkauft. Erst im Dezember war die allgemeine Subventionierung der E-Autos abrupt beendet worden.

Das Berliner hü und hott hilft VW und anderen Autobauern nicht aus der Misere. VW will bis 2033 die gesamte Produktion in Europa auf E-Autos umstellen, schafft es aber nicht, die nötige Software bereitzustellen. Jetzt fehlen dem Konzern fünf Milliarden Euro für Investitionen. In Wolfsburg und anderen deutschen VW-Werken fanden am Mittwoch Betriebsversammlungen statt, wobei die Konzernspitze im Stammwerk ihre Pläne vortrug. Die Manager wurden bei der Ankunft ausgepfiffen. Betriebsratschefin Daniela Cavallo erklärte, nicht die Mitarbeiter seien schuld an der Krise des Konzerns, sondern dessen Führung. Werkschließungen dürfe es nicht geben, und die Jobgarantie dürfe nicht angetastet, sie müsse verlängert werden. Einschnitte bei den Tariflöhnen lehnte sie ab: »Volkswagen krankt daran, dass der Vorstand seinen Job nicht macht.« Dessen Pläne? »Das ist nicht nur ein Armutszeugnis. Das ist eine Bankrotterklärung!« VW-Finanzvorstand Arno Antlitz hielt dagegen: »Es fehlen uns die Verkäufe von rund 500.000 Autos, die Verkäufe für rund zwei Werke.« Schuld seien nicht Fehler von VW, sondern die schwache Nachfrage nach Neuwagen in Europa. VW habe »noch ein Jahr, vielleicht zwei Jahre Zeit, das Ruder herumzureißen«.

Der Konzern beschäftigt in zehn deutschen Städten rund 120.000 Menschen. Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer sagte dpa, es werde in Deutschland eine Werkschließung geben: »Das wird aber nicht in Niedersachsen geschehen.«

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