Hamburger Hafen bestreikt
Von Burkhard IlschnerHamburgs Hafen stand am Mittwoch wieder einmal weitgehend still: Die Gewerkschaft Verdi hatte die HHLA-Beschäftigten in einen ganztägigen Streik gerufen, um Druck aufzubauen im Streit für den geforderten Sozialtarifvertrag. Zeitgleich schaute man nicht nur im Hafen, sondern in der ganzen Stadt gespannt auf die Bürgerschaft, die unter anderem über den seit einem Jahr heftig kritisierten Einstieg des Genfer Reedereigiganten MSC beim lokalen Terminalbetreiber HHLA zu entscheiden hatte.
Bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe stand die finale Abstimmung in dieser Frage zwar noch aus. Aber die regierende Koalition verfügt über eine deutliche Mehrheit im Landesparlament, SPD und Bündnis 90/Die Grünen kommen auf 86 der insgesamt 123 Sitze. Da der entsprechende Vertrag des Hamburger Senats mit der Reederei nur einer einfachen Mehrheit bedarf, galt die Zustimmung der Bürgerschaft als sicher – alles andere hätte an der Unterelbe vermutlich ein politisches Erdbeben ausgelöst.
Wie berichtet, hatte Verdi die HHLA-Beschäftigten schon am vergangenen Freitag zum Streik aufgerufen. Es geht um eine tarifliche Vereinbarung zum Schutz der Belegschaft vor den Folgen kommender Automatisierung und anderer Schritte eines langjährig angelegten Konzernumbaus. Auch geplante organisatorische Änderungen sollen geregelt werden, die nicht nur bei der HHLA selbst, sondern vor allem beim Gesamthafenbetrieb (GHB) als flexiblem Personaldienstleister zu Arbeitsplatzabbau führen können.
Da erneute Verhandlungen am Dienstag wieder ergebnislos blieben, fühlen sich etliche Beschäftigte gerade vor einer so schwerwiegenden Entscheidung wie der MSC-Fusion von der HHLA-Führung nicht ernst genommen. Verdi hatte deshalb am Mittwoch ausdrücklich nicht nur für die HHLA selbst und ihre diversen lokalen Töchter und Subunternehmen zum erneuten Warnstreik aufgerufen; auch die GHB-Kollegen, die aktuell bei einer der HHLA-Gesellschaften im Einsatz sind, waren zum Solidaritätsstreik aufgefordert. »Für die Kolleginnen und Kollegen geht es um Sicherheit in sehr unruhigen Zeiten«, so Verdi-Gewerkschaftssekretär André Kretschmar in der Pressemitteilung zum Warnstreikaufruf.
Stimmen aus der HHLA-Belegschaft verwiesen am Mittwoch auf die momentanen Auseinandersetzungen bei Volkswagen: Mit der Androhung der VW-Konzernspitze, das dort bis 2029 geltende Kündigungsschutzversprechen aufzuheben, stünden bei dem Autobauer Tausende Arbeitsplätze auf der Kippe. Das zeige, dass vergleichbaren Vereinbarungen im HHLA-MSC-Fusionsvertrag – unter anderem fünf Jahre Kündigungsschutz – kein Glauben geschenkt werden dürfe. Genau deshalb sei der angestrebte Sozialtarifvertrag unverzichtbar. Die Ereignisse bei VW zeigten, was passieren könne, wenn man nicht rechtzeitig handle.
Ende vergangener Woche hatte es zum Abschluss der Aktionswoche gegen den HHLA-MSC-Deal eine starke Demonstration gegeben, bei der es nach einem NDR-Bericht Unmut gegeben hatte wegen der außerordentlich starken, von vielen als bedrohend empfundenen Polizeipräsenz. Auch am Mittwoch waren die Warnstreikenden wieder zu einer Demo aufgerufen; allgemein wurde der Ausstand als finaler Protest auch gegen die Fusionsentscheidung verstanden.
In der Hamburgischen Bürgerschaft ließ die zweite Lesung des HHLA-MSC-Fusionsabkommens am Mittwoch nachmittag auf sich warten. Zu Beginn der Plenarsitzung hatte die Debatte über einen Antrag der AfD für »lückenlose Zurückweisungen« von Migranten für eine Verzögerung gesorgt: Eine Äußerung der Abgeordneten Jennifer Jasberg führte erst zu einer längeren Sitzungsunterbrechung – und dann zu einem Ordnungsruf für die Bündnisgrüne.
Für den Tagesordnungspunkt zum HHLA-MSC-Deal hatte die oppositionelle CDU-Fraktion beantragt, das Vorhaben ein weiteres Mal zu diskutieren: Wahrscheinlich wurde es Abend vor der finalen Abstimmung über die Zukunft des Hafens – praktisch wie sinnbildlich.
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