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Aus: Ausgabe vom 05.09.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Chipindustrie

Keine Party mit Intel

US-Konzern erwägt Rückzug von Plänen zum Bau der Chipfabrik in Magdeburg. Ampel wäre angeschmiert
Von Ralf Wurzbacher
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»Die Vorarbeiten gingen in jüngerer Zeit nur schleppend voran« (Bagger auf dem »Eulenberg«)

In Magdeburg-Ottersleben steigt von Freitag bis Sonntag das alljährliche Volks- und Heimatfest. Diesmal nicht mit dabei: Intel. Der US-Chipriese steckt knietief in der Krise, im zweiten Quartal setzte es Verluste von 1,6 Milliarden Dollar. Also, so heißt es, muss der Konzern ab sofort kleinere Brötchen backen und lässt prompt die Sause in der Elbestadt sausen – nach davor zwei Gastauftritten in Serie, 2023 sogar mit eigenem Ausstellungsstand. Der Einschnitt war gewiss unverzichtbar und man ahnt es schon: Die Ersparnis bringt den schlappen Laden zurück in die Spur.

Spaß beiseite. Denn die Angelegenheit ist ernst. Tatsächlich raunt es nämlich durch Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt, der Halbleiterproduzent aus Übersee könnte für immer wegbleiben, also gar nicht erst anlanden. Eigentlich wollte der ja ein gewaltiges Werk am Eulenberg aus dem Boden stampfen, die »Megafab«, für 30 Milliarden Euro und mit 3.000 hochqualifizierten Arbeitsplätzen. Und genau deshalb hatte man sich ja so volksnah gegeben. Um mit den Leuten ins Gespräch zu kommen und sie zu überzeugen, dass die Ansiedlung eine prima Sache ist, allen Warnungen von Naturschützern vor Wasserarmut, Bodenversiegelung und Artensterben zum Trotz. Selbst Intel-Vizepräsident Keyvan Esfarjani schaute im Vorjahr beim Rummel vorbei, im Dress der Kicker vom FC Magdeburg. Wenn das mal kein Statement war.

Nun, ja. Von Esfarjani weiß man inzwischen, dass er zum Jahresende sein Amt aufgeben muss, und irgendwie wirkt das wie ein schlechtes Omen. Denn wie die Nachrichtenagentur Reuters am Montag in die Welt setzte, drohen die Intel-Bosse dem Projekt in Ostdeutschland mit Liebesentzug, der mithin so weit gehen könnte, dass es mit der schönen Chipfabrik gar nichts wird. Aber noch ist nichts klar. US-Medienberichten zufolge will Konzernführer Patrick Gelsinger in einer Mitte September anstehenden Sitzung des Verwaltungsrats einen radikalen Sanierungsplan präsentieren, der einen massiven Jobabbau, den Abstoß von Geschäftszweigen bis hin zur Schließung ganzer Produktionsstandorte umfassen soll. Zur Disposition steht dabei wohl auch Magdeburg. Gedacht werde etwa an einen Baustopp oder eben einen Komplettausstieg, schrieb Reuters unter Berufung auf einen Insider.

Hat sich das vielleicht angedeutet? Die Vorarbeiten gingen in jüngerer Zeit ohnedies nur schleppend voran. Mehrere Genehmigungen stehen noch aus, und dann gibt es da diese renitenten Umweltaktivisten, die auch schon Elon Musks »Gigafactory« in Grünheide wiederholt ausgebremst haben – bis heute. So etwas kann abschrecken, wenn es ums Profitmachen geht. Andererseits gab es zu Wochenanfang grünes Licht vom Landesverwaltungsamt in Halle für den Baustart aller beantragten Haupt- und Nebengebäude. Ebenfalls bewilligt wurden die Errichtung einer Logistikhalle, eines Rechenzentrums, von Löschwassertanks, eines Außenzauns sowie eines Erdwalls zur Autobahn A 14. Damit könnte die Buddelei demnächst losgehen. Allerdings müsste bei am Ende nicht erteilter Gesamtgenehmigung der Urzustand des Geländes wiederhergestellt werden.

Was außerdem noch fehlt, ist das Okay der Europäischen Union zur Projektförderung durch die Bundesregierung. Die Ampel will Intel bekanntlich mit Beihilfen von zehn Milliarden Euro unter die Arme greifen, gegen das Versprechen, reichlich Jobs zu schaffen und aus Deutschland ein Chipeldorado zu machen. Weitere fünf Milliarden Euro wirft sie dafür dem taiwanesischen Marktführer TSMC für eine Fertigungsstätte in Dresden hinterher, die 2027 mit 2.000 Arbeitsplätzen an den Start gehen soll. Haut beides hin, konkurrieren sich bald zwei Giganten auf deutschem Grund und Boden in Grund und Boden. Was im übrigen allerhand Erpressungspotential gegenüber der deutschen Politik bergen würde. Ob das Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) auf dem Schirm hat? Die Rückzugsgerüchte aus Kalifornien seien »ein Dämpfer« für den Wirtschaftsminister, titelte am Mittwoch der Münchner Merkur. Sicher ist so viel: Ein Intel-Aus wäre gut gespartes Geld. Dafür ein Prosit nach Ottersleben.

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