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Aus: Ausgabe vom 05.09.2024, Seite 10 / Feuilleton
Eiskalte Selbstverständlichkeiten

Zeitzeichen Böhmermann

Heute morgen ist schon gestern, das könnte in Zukunft auch dem Satiriker Jan Böhmermann aufgehen
Von Norman Philippen
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»Es wird ganz, ganz finster werden für Sachsen, Thüringen und Brandenburg« – Jan Böhmermann

Jan Böhmermann ist untrüglich einer von heute. Als solcher durfte er für Die Zeit letzte Woche allen unwendezeitgemäßen »Menschen von gestern« einmal ausführlich 15 brandheiße »eiskalte Selbstverständlichkeiten« aufschreiben. Unter dem kalten, sachdienlichen Hinweis »Jan Böhmermann ist Satiriker. In diesem Beitrag holt er zum Rundumschlag aus«, erklärt der Satiriker Jan Böhmermann mit satirischen Mitteln, wie man »Menschen von gestern« erkennt und was »Menschen von heute« und »morgen« den idiotisch Gestrigen an heute eigentlich selbstverständlichem Wissen voraushaben.

Wer »Menschen von gestern« erkennen wolle »und sie dabei gleich auch noch spaßeshalber an die Grenzen ihrer intellektuellen, politischen und moralischen Kapazität bringen möchte«, müsse ihnen »(…) eine einfache Frage stellen wie ›Was unternehmen wir denn jetzt gegen Russland?‹« Die, die statt »Russland muss besiegt werden« nur »lauthals ihren, jaja, tief sitzenden Pazifismus« äußern oder sonstige »seltene Einblicke in ihr inneres Sackgassengeflecht gewähren, erkennen wir (…) als das, was sie sind: Menschen von gestern, die gedankenstochernd an zerbrochenen Erklärmodellen kleben und vergeblich versuchen, sich und anderen aus ihren überkommenen Annahmen der Welt (…)« etc. pp.

Die Welt aber ist gar nicht kompliziert, weiß Satiriker Böhmermann – »So ein Quatsch, in Wahrheit hat ihnen bloß das Internet den Kopf verdreht.« Den Gestrigen, all jenen bis auf S. Wagenknecht und A. Schwarzer Ungenannten, die »die gegenwärtig größte Bedrohung für unsere Welt, unser friedliches Zusammenleben und unsere Zukunft« darstellten. Wenn er mit der Losung »Menschen von gestern – raus!« auf deren entschlossene Ausgrenzung setzt, meint Böhmermann das allerdings ziemlich teilweise ganz entschieden satirisch. Hält er sich als Mensch auf der richtigen Seite der Zeitläufteleiste doch sicher bierernst an seine eiskalte Selbstverständlichkeit 15/15: »Einander ist alles, was wir haben.« Auch die übrigen Selbstverständlichkeiten der zum Abnicken feilgebotenen konsensliberalen Leckerlitüte – à la »Wärmepumpen sind spitze!« oder »Es heißt Schokokuss« sind so ernst gemeint, wie sie – ­Böhmermann ist Satiriker! – nicht klingen. Auch nicht komischer, aber leicht erleuchtend wird es, ersetzt man in der siebten Selbstverständlichkeit »Abgehängtheit« mit »Überlegenheit« und liest dann: »Wer aus dem Gefühl der Überlegenheit freiwillig Menschen von gestern wählt, darf sich nicht wundern, wenn das Gefühl der Überlegenheit danach noch stärker wird. Es wird ganz, ganz finster werden für Sachsen, Thüringen und Brandenburg.«

Viel heller würden die Bundesländer jetzt wohl auch nicht erstrahlen, hätten neulich mehr Menschen von heute denen von gestern ihre Stimme gegeben. Und wäre es auch nur satirisch gemeint gewesen.

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